Manche Konzerte lassen sich am Heimweg gewissermaßen mitnehmen; die um 19 Uhr angesetzten Konzerte in der “Strengen Kammer” zum Beispiel, einem eher kleinen Nebenraum des Porgy & Bess, der experimentell und improvisatorisch bespielt wird. Sympathisch, familiär, nachgerade intim, für meinen Geschmack immer recht nah am Überfamiliären, aber das ist Wien, da ist man schnell in einem sich allzu dörflich anfühlenden Bereich. Es spielten diese Woche zum Beispiel Kenji Herbert (E-Gitarre), Vinicius Cajado (Kontrabass) und Lukas König (Schlagzeug). König und Cajado waren mir aus anderen Zusammenhängen bekannt, jeweils für sich genommen, Herbert hörte ich zum ersten Mal. Rhythmische, harmonische, treibende Instrumentalnummern, bei denen die Gitarre hörbar im Vordergrund stand. Spielfreude. Eh ok. Gelegentlich Solos zwischendurch mit Oha-Momenten. Ich weiß nicht, ob es am Überfamiliären lag, oder auch am Testosteron, dass mir das alles zu gefällig war, oder daran, dass ich gerade Cajado im letzten Jahr drei Mal mit Experimentalmusiker*innen gehört hatte, deren improvisierendes Zusammenwirken mit seinem Kontrabass sich explorativer anhörte. Die Exploration des Klangs, das vermisste ich hier. Mehr Spielen mit vorgefundenem Material als Gestaltung von Material durch Spiel, so in die Richtung hörte sich das an, if you get my drift.
Echoraumkonzerte sind eigentlich immer Tagesabschlusshöhepunktkonzerte. An dem einen Abend, später in der Woche, trockener, weniger Eis, fahrradtauglich, also an dem Abend drei Sets gebaut um Bernhard Hammer, einem Elektro Guzzi Fuzzi, womit ich diese Formulierung, die sich mir schon lang aufdrängt, nun tatsächlich hinkalauerte, da schau her. Sehr gut besucht übrigens, überraschend viele junge Leute da, naja, die Guzzis ziehen halt. Matija Schellander spielt sein Stück “Drill”: Weißes Rauschen aus der Konserve; Schellander ruckelt dazu an einem durch die Saiten des Kontrabasses gefädelten Bogen, während er das massive Instrument hält und gleichzeitig um es herumläuft, im Kreis, immer wieder, das Rauschen und den Bassklang durch die Bewegung filternd. (Ja, ihm wurde schwindelig dabei.) Der Kontrabass als menschlich angetriebene Bohrmaschine, das gefällt mir an diesem Bild, als Idee, als Performance.
Hammer und die Pianistin Anna Sophia Defant spielen gemeinsam Hammers Komposition “Reflektierende Echos”. Eine gewisse Sentimentalität, ausgehend von Hammers frühkindlicher Erfahrung, unter dem Flügel liegend auf seine Schläge und Rufe daran Antwort erwartet zu haben. Diese Erinnerungen würden sich in der Komposition als reflektierende Echos manifestieren, heißt es im Beipacktext. Die Idee des Rufens ins Klavier wurde mehrfach bemüht, ansonsten zahlreiche langsame und weich gespielte Klavierpassagen, also halt wirklich nix mit Testosteron. Berückend und berührend einige Stellen, an denen sich Hammers Laptop-Elektronik eng an den Klavierklang schmiegte, damit fein dissonante Flächen gestaltete.
Plauder- und Weinpause; dann Hammer und Schellander, einander in einer Art und Weise gegenübersitzend, dass man sie für Schach- oder andere Brettspieler halten könnte. Beide an den Reglern, vorgeführt werden bereits am Wege einer Tonbandmaschine bearbeitete und überschriebene, gemischte und mit Dub-Techniken verfeinerte elektronische Klänge, so wird das beschrieben. Das ergibt einen Sound warmer, jedoch trockener Elektronik, die ordentlich eskaliert, dabei von Hammers E-Gitarre unterstützt. Sonic derailment, das schätzt die Testosteronikerin.
Und dann war da noch die eine, mit der ich plauderte, und an ihr ging der andere vorbei, den ich so oft lachen sehe, ein freundlicher Mensch. Und sie lachten einander an, sich auf eine vorangegangene Unterhaltung berufend, einander anlachend, dass sie da noch anknüpfen müssten, und da knisterte etwas, was mir große Freude bereitete, dieses Knistern mitzuspüren. Und als ich dann das Lokal verließ, standen sie beide da, im Stiegenhaus, rauchten, ihre Gesichter so offen füreinander, ihre Körper einander näher, aber noch nicht so nah, wie ich vermutete — und für die beiden hoffte —, sie könnten einander in dieser Nacht noch kommen.
]]>Der Anfang der Dunkelzeit, ein anhaltendes Eintauchen in etwas, aus dem du nur kurz wieder auftauchst, nur punktuell. Licht als künstlich hergestellte Ausnahmesituation. Dunkelheit zu Zeiten, wo vor wenigen Wochen noch keine war. Aufwachen in die Dunkelheit hinein, Gehen durch die Dunkelheit in der Stadt, nur kurz durch Aufenthalte in helleren Innenräumen unterbrochen. Nach dem Seminar verschwinden alle in der Finsternis; man könnte ihnen nicht mehr lange nachblicken, wenn man das wollte. In Bologna in der Woche davor, als wir über Theorien aus der indischen Philosophie über die Erkenntnis des Nichtvorhandenseins diskutierten, kam ebenfalls das Thema Dunkelheit auf; es gibt da Denker, die die Dunkelheit als eigene Substanz ansetzen, als ein Objekt der Sehwahrnehmung ebenso wie Farben und Formen. Andere dagegen begreifen sie einfach als die Abwesenheit von Licht, was zur Konsequenz hat, dass man sie nicht sehen kann. Sie gewinnt einen anderen epistemischen Status.
Kälte, Schnee, einpacken, einhüllen, vorsichtig auftreten, Blick mehr nach unten richten. Schneehaufen überall, eingeschneite Reste von Gehsteig-Gastgärten, zugeschneite Fahrräder. Tagsüber dieses weiße Blenden, eine ganz andere Welt, etwas Unnatürliches, dieses Licht. Stürzende Menschen, gestürzte Menschen. Die Frau im Pelzmantel, ich halte ihre Hand, damit sie sich hochziehen kann. Das reicht aber nicht, zu tief kniet sie im Schnee; es kommen noch zwei Schnauzbarttypen dazu, die sie wesentlich ungenierter packen, als ich das wagen würde, aber so kommt sie immerhin hoch. Sie freut sich und ist dankbar.
Zu einem Konzert, das in einem ebenerdig gelegenen Lokal in einem Innenhof stattfinden sollte, ein Kulturraum von schäbiger Eleganz. Es wurde dann aber in den großen Saal des Odeon-Theaters verlegt, zu dem der Kulturraum, genannt “Spitzer”, ebenfalls gehört; es gab ein Koordinationsproblem. Der Weg in den Saal führt durch nun schon matschige Hinterhöfe, vorbei an einem riesigen alten Verbrenner, der aussieht wie ein Monument. Ein nüchternes graues Treppenhaus nach oben, dann in den Saal, hinter der Tribüne, wenig Licht, viel schwarzer Stoff. Der Saal, lange mit monumentalen Säulenreihen an den Seiten, prunkvoll schnörkelig, wird seit 1980 als Theater genutzt. Du weisst, du bist in einem monumentalen späthistoristischen Gebäude, und du hast kein Gespür für die Dimension des Baukörpers; es ist ja finster.
Dimensionen: Das Gebäude wurde Ende des 19. Jahrhunderts als Börse für landwirtschaftliche Produkte errichtet, die Architektur einer römischen Markthalle nachempfunden. Die “Produktenbörse” – die wichtigste landwirtschaftliche Börse der Monarchie. Der Architekt, Karl König, hatte übrigens als ersten Bau seiner Karriere die Synagoge in der Turnergasse gestaltet, die 1938 während der Novemberpogrome zerstört wurde. Die Börse wurde während des Nationalsozialismus bedeutungslos, auch in der Nachkriegszeit wurden landwirtschaftliche Preise anders bestimmt. Seit Österreichs EU-Beitritt dient sie wieder als Ort der Richtpreisfindung durch die wichtigsten Marktteilnehmer. Offenbar nach wie vor in diesem Gebäude. Das Serapionstheater hat den großen Saal in den 1980er Jahren für den Theaterbetrieb adaptiert und konnte nach und nach im Gebäude weitere Räumlichkeiten belegen. Heute also: Koexistenz von Weizenpreisfestlegung und Theaterbetrieb.
Der Gitarrist Eric Arn hat schon zu spielen begonnen, als ich mich durch die schwarz verhängten Rückbereiche in den Saal taste. Er spielt alleine, spielt eine Stimmung in die Dunkelheit, die mir fremd ist. “Besinnlich” fällt mir dazu ein. “Verspielt” auch. Wenn Gitarren perlen, nun ja; ich hab’s einfach eher mit den Flächen (die kann und macht er auch, übrigens). Es sind nicht besonders viele Leute hier, 30, 40 vielleicht; das Konzert war ja auch für einen viel kleineren Raum geplant gewesen. Der Saal fühlt sich einfach an. Ein dunkler Raum, in dem ein Mann Gitarre spielt, die Rückwand heimelig rot bestrahlt.
Wenn sich Menschen durch den Saal bewegen, wird er größer. In der Pause trappeln die Leute wieder nach unten; die Getränke gibt’s in der schäbigen Eleganz. Dann Lea Bertucci. dense masses of sustained dissonance, das liegt mir; an diesem Abend bestehend aus Saxophon und Elektronik. Je länger sie spielt, desto mehr fühlt sich der Saal an, als wäre sonst niemand da. Erst später, als ich die paar Fotos ansehe, die ich gemacht habe, fällt mir auf, dass die Beleuchtung während ihres Auftritts dünkler gestaltet war.
Am Rückweg über die Schwedenbrücke über den Donaukanal. In Metallplatten am Geländer eingefräste Wörter, die sich beim Gehen als Teile von Sätzen herausstellen. Die Erklärtafel am anderen Ufer teilt mit, dass hier die Schriftstellerin Ilse Aichinger zusah, wie ihre Großmutter, Tante und Onkel 1942 mit einem offenen Lastwagen zum Aspangbahnhof gebracht wurden. Von dort kamen sie in das Lager Maly Trostenez bei Minsk, wo sie ermordet wurden. Aichinger war damals 21. Anlässlich von Aichingers 100. Geburtstag im Jahr 2021 wurde dieser Gedenkort von Elisabeth Eich gestaltet. Er heisst “Winterantwort”, nach Aichingers Gedicht im Brückengeländer. Ist es nicht ein finsterer Wald, in den wir gerieten?
]]>Falco, auch noch eine Nummer vom späten Falco, na, gut hat der da nicht mehr ausg’schaut, bist du fertig. Also tanzen können hat der Michael Jackson schon. Gianna Nannini hab ich übrigens noch nie gseh’n g’hab’t, bis jetzt, da schau her. Britney Spears, super, eh kloa. Dire Straits, naja, brauch I ned, aber ich hab sie einmal in der Stadthalle spielen sehen, aber nur, weil ich mit dieser Ökopartie damals unterwegs war, die haben gewusst, wie man Stadthalle-Tickets fälscht, wir sind gratis reinkommen. Ah, diese Vokuhila-Videos, unglaublich, das kommt jetzt alles wieder, das und die Schnauzbärte, und auch Frauen mit Vokuhilas, I versteh’ des ned. Fanta Vier, da singen plötzlich die vier (haha) da drüben alle mit, da schau her, völlig andere Welt. „Barbie Girl“ von Aqua, oha, alle Frauen auf der Tanzfläche kreischen und jubeln, dabei ist die Nummer schon aus 1997. „Cordula Grün“, dafür muss der eine Typ vom Wuzler sofort begeistert Tanzen gehen, sowas, die Nummer kannt ich auch nicht, und da lasst mich der einfach beim Wuzeln stehn. Captain Sensible, „Wot“, übrigens super zum Wuzeln, und man kann auch beim Wuzeln tanzen, naja, so halbert jedenfalls. Und, weisst, eigentlich hätt ich total gern eine Glitzer-Hoodie-Jacke, so eine mit lauter Pailletten drauf, aber sowas gibt’s nicht, nur so komische Jackerln wie die da drüben hat, und enge Tops, aber keine Hoodies, echt deppert.
Nein, die Bee Gees müsst’s eigentlich gar ned geben. Okeh, den Soundtrack von „Saturday Night Fever“, gut, den lass’ma, aber sonst, echt ned. Übrigens ein oager Film, ein guter Film, erst unlängst wieder g’seh’n, war total überrascht. Is der Robbie Williams ned an Fentanyl g’storb’n? Nein, aber er hat Long Covid (was übrigens nicht stimmt, er hat damit einen Scherz gemacht). „Macarena“, da schau her, die Teenies haben die Moves alle drauf — ja, da gibt’s so „Just Dance“-Konsolenspiele, da stehn die alle total drauf. Phil Collins, nie verstanden, auch die Musik, völlig fremd, aber, hey, wir ham einmal ein Interview mit dem gemacht, der ist total nett und unprätenziös, superfreundlich auch zum jungen Praktikanten. Run DMC & Aerosmith, oha, und dann auch noch MC Hammer, eh kloar, ah, auch noch die Fine Young Cannibals, „She drives me crazy“, Supergitarren übrigens.
]]>Zur Einstimmung gab es ein Stück vom Band, Pauline Oliveros (USA, 1932–2016): A little noise in the system, ein frühes Experiment in der Arbeit mit Störgeräuschen als Ausgangsmaterial. Dieses Stück, eine halbe Stunde lang, das Geräusche rhythmisch aufzieht, zu Oszillationen beschleunigt und mit wechselnden begleitenden Klangtapetenspuren allmählich lauter werden lässt und in Richtung Akkubohrer wendet, also dieses Stück war ein sehr passender historischer Kommentar zu denen von KMRU, die ich zwei Tage zuvor im Kassensaal der PSK gehört hatte. Der Aufbau recht ähnlich, die Klänge wie eine Übersetzung in eine andere Sprache, anstelle der Oszillationen freilich eher unterschwelliges Wabern. Anders als die Stücke auf seinen Alben, die eher perlen, bisweilen ins Kontemplative gehen, drängten diese da mehr in Richtung Störung. Man stelle sich riesige Glasscheiben vor, die in Zeitlupe zerbersten.
Schimanas “Höllenmaschine” im Vergleich dazu ein Sturm, ein Orkan, ein Glasscherbentanz zuerst, dann enthusiastisches Ausreizen der niederfrequenten Möglichkeiten, die das Instrument bietet. Oha, I say. Im Anschluss an die “Höllenmaschine” führte Bernhard Günther ein Gespräch mit allen Beteiligten, einschließlich Peter Rantasa (“Hausmeister” des Rhiz), der 1999 das Phonotaktik-Festival um Max Brand herum konzipiert hatte. Ich hatte das schon total vergessen, was mich wundert, denn dieses Festival war für mich der Einstieg in intensivere Beschäftigung mit elektronischer Musik. Nun, es gab wohl einfach prägendere Erlebnisse damals.
Im Gespräch ging es zum einen um Max Brand und seinen Lebensweg – frühe Kompositionserfolge, das Bühnenwerk “Maschinist Hopkins” (1929), 1938 Flucht über Prag und Brasilien nach New York. Vergeblicher Versuch, als Filmkomponist Fuß zu fassen, ab den 1950er Jahren verstärkte Beschäftigung mit elektronischer Musik, dann eben der Synthesizer mit Moog (mit dem er sich übrigens überwarf). 1975 kehrte Brand nach Österreich zurück. In Langenzersdorf bei Wien verbrachte der Elektronikpionier seine letzten Lebensjahre einsam und unverstanden. Es ging dann aber auch darum, wie sich das Instrument so spielt; Manon Winter war sehr begeistert davon; man hebe so richtig ab beim Spielen. Sie könne sich vorstellen, dass sich ein Flugzeugpilot ähnlich fühlen würde.
]]>Es kommen zwei andere, jüngere Frauen, es ist so ein Nach-dem-Sommer-Wiedertreffen, überschwänglich, herzlich, aber auch abcheckend. Es geht ums Aussehen, um die Frage, ob man hohe Schuhe tragen könne und wie man dabei aussehe, und die eine zur anderen, also sie, die eine, könne das ja nicht, sie würde dann gleich so groß aussehen, aber sie, die andere dagegen, also wie ein Model, und die andere, also nein, sie doch kein Model, also echt nicht. Als ich schon denke, die könnten jetzt auch reingehen, es ist ja kühl, vielleicht kommt noch was Unterhaltsameres, da kommt dann plötzlich ein schwer verständlicher Obdachloser vorbei, er kann schlecht gehen, er kann schlecht sprechen. „Zigarette“ hört man, höre ich, aber die drei jungen Männer, Amis, an dem einen Tisch da vorn verstehen nicht, was er will. Die blondierte von den zwei jungen Frauen versteht aber, steht einfach auf und geht nach vorn und gibt ihm eine Tschick, ganz selbstverständlich, ohne irgendwas. Dann geht er, und das war’s, und die drei jungen Amis entschuldigen sich bei ihr dafür, dass sie den Obdachlosen nicht verstanden haben, und das führt zu ein, zwei freundlichen Wortwechseln, und das war’s. Made my day.
Es kommt dann noch eine dritte junge Frau, die anders als die zweien keinen Alk trinkt heute, auch das selbstverständlich, wird nicht weiter kommentiert, ist so. Es geht dann darum, ob die Pfefferminzteetrinkerin in Kroatien tatsächlich mit dem einen Typen, den die anderen in sozialen Netzwerken auf ihren Reisefotos bemerkt hätten, also der sei ja aufgefallen, also hat sie jetzt mit ihm oder nicht. Also an dem Tag nicht, da kam’s nur zu etwas Geknutsche, dann wieder zurück ins Zimmer, das sie mit einer anderen geteilt hatte. “Host wenigstens mit dea wos g’hob’t”, fragt die zweite, und ich will schon fast vom Nebentisch rein-high-fiven.
Also später hatte sie dann wohl doch was mit dem Typen, und die Erzählung läuft langsam darauf zu, schmerzlich langsam, so viel Zeit hab ich auch wieder nicht. Und ich hab schon gezahlt, da kommt sie langsam zum Punkt, aber ich befürchte, meine Ohren fallen schon als zu spitz auf, da am Nebentisch, man will ja nicht indiskret sein, aber ich würde schon gern wissen, wie sie erzählt, wie’s dazu kam, und was sie darüber sagt, aus rein dokumentarischem Interesse natürlich, als Chronistin der Zeit, Sie verstehen. Aber ich bin ja diskret, und so gehe ich also, bevor sie davon erzählt, aber ihr Lächeln sagt, es war fein, das ist schön, sowas ist doch belebend im herbstlichen Sonnenuntergang.
]]>Gestern beim Popfest Wien, wo man sich am und rund um den Karlsplatz Pop und Verwandtes gratis reinziehen kann, da legte DSL mit anderen im Club U auf. Der Club U ist ein Lokal — für die, die Wien nicht so kennen — in einem von Otto Wagner errichteten Pavillon, einem Stationsgebäude der ehemaligen Stadtbahn, das im Zuge des U-Bahn-Baus seine Funktion verloren hatte. Oben Stationsgebäude, Jugendstil draußen, schwarzweiße Fliesen innen, Stiegen runter in ein schummriges Cafe mit 1980er-Polster-Charme, das von der U-Bahn-Passage aus zugänglich ist. Dort, im Schummerbereich, legen DJs auf, das tun sie jetzt immer noch, offenbar; ich war da schon gut 20 Jahre nicht mehr. Oben im Wagner-Bau eine Cocktailbar mit einem sehr freundlichen, älteren Barmann, der ernsthaft bei der Sache ist und mir noch einen Happy-Hour-Preis auf eine umwerfende Caipirinha gibt, eine umwerfend großzügige Caipirinha, obwohl die Happy Hour technisch gesehen schon fünf Minuten vorbei ist, danke, sehr nett.
Unten ist’s gut voll, ich treffe den Zeitpunkt gut, da der Diesel gerade anfängt, so gegen elf. Es dauert maximal fünf weitere Minuten, bis ich total begeistert bin. Die Fußverletzung gestattet nicht, dass ich tanze, und ich befolge brav die Warnung des Physioknechts, der meinte, ich wäre in einer kritischen Heilungsphase, in der man sich gerne überfordert, und dann komme man aber aus dem Scheiss einfach nicht mehr raus, das könne böse enden mit chronischem, längerfristigen Zeug. Also nicht übertreiben. Ich wippe also vor mich hin, man kann ja eigentlich nicht anders beim Diesel. Das Publikum sehr gemischt, an Alter, Gender, Kleidungsfarben, Hautfreilegungsgraden und ablesbaren Ethnizitäten. Ebenfalls schwarz gekleidete Frauen ähnlicher Altersstufe lächeln mir zu, wippend, ich lächle zurück, auch wippend.
Als der Diesel dann wieder an einen anderen DJ übergibt, mache ich mich allmählich auf; ich habe am nächsten Tag noch was vor mit meinem Hirn. Oben, draußen stehe ich kurz zwischen zwei Sonnensegeln, von der Caipirinha leicht benebelt, besprüht von zartem Nieselregen, oder war’s eine Nebeldusche? Da kommt ein Typ auf mich zu und sagt, “gekonnt überhört”. Mein Gesicht sagt “hä?”, er sagt, ich hätte vorhin auf den Stufen gekonnt überhört, wie er zu mir gesagt hätte “ich hab auf deinen Arsch geschaut”.
Ich empfinde fortgeschrittene Situationskomik. Mein 23jähriges Ich hätte wahrscheinlich gesagt “und, was hast g’seh’n: lächelnden Buddha, das Gesicht unseres Heilands oder die vier Arme des Shiva?” oder sonst sowas Dadaistisches, das leichten Wahnsinn ausstrahlt. Dadaistische Nachtkommunikation schätzte ich damals sehr; es war in den frühen 90ern für mich ein steter Quell des Ärgernisses, wenn Leute Unterhaltungen so langweilig mit Verortungsgesprächen begannen (“und, was machst du so?”), statt sich aus der Situation ergebenden Flachsinn fantasievoll voranzutreiben. Man sollte sich halt am Diesel ein Beispiel nehmen, so, wie er die Plattenspieler betätigt, sollte man Gespräche dazu angehen, irgendwie musikalisch. Jedenfalls hätte dadaistischer Wahnsinn den Burschi, der eigentlich kein Burschi war (Typ sportlich-drahtiger, sonnengebräunter Cruiser, bissi schmächtig, um die Vierzig, kein nennenswerter Arsch, übrigens), sofort in die Flucht geschlagen, Arsch hin oder her. Heute reicht freilich von meiner Seite ein leicht zugespitzter Blickstrahl über den Brillenrand hinweg, und er ist gone, da brauche ich meinen Wahnsinn gar nicht zu bemühen, er wär’ eh verschenkt.
Machen Typen das heute, also ihren sexualisierten Blick auf Frauen im Nachtleben ausdrücken, zur Sprache bringen? “Ich hab auf deinen Arsch geschaut”, “meine Blicke streiften gerade deine Brüste”, sowas in der Art? Ist das ein Ding? Wenn ja, wohin soll das führen? Was erwarten sich die? Kommen die damit dorthin, wo sie vermutlich hin wollen? Nicht, dass ich grundlegende Einwände gegen sexualisierte Blicke im Nachtleben hätte, aber diese Art der sprachlichen Verbrämung, na, I brauch’s net.
In Komödien würde dann eventuell sowas passieren wie: Ich sitze einige Tage später im Business-Outfit, taubenblauer Hosenanzug, in einem Meeting, in dem ich, sagen wir, als Vertreterin einer wissenschaftlichen Einrichtung mit Herren von der Bundesimmobiliengesellschaft über Lärmschutzmaßnahmen in einem neu besiedelten Institutsgebäude verhandle (das ist nur zum Teil weit hergeholt). Da wäre dann zufällig der Burschi, nicht als direktes Gegenüber auf gleicher Hierarchieebene; dieses Zniachtl kann bestenfalls den Adlatus eines Oberbosses geben, der das Gespräch mit der taubenblauen Repräsentantin führt. Und die stellt mit sich kühl steigernder Rhetorik die Problematik zu dünner Trennwände vor, es geht um Arbeitsrecht hin oder her, und da kommt dann irgendwann auf, dass die Mitarbeiter:innen sich ja bemühen würden “gekonnt” die Telefongespräche zwei Räume weiter “zu überhören”, aber dafür wären die Wände einfach zu dünn, nichts mit “gekonnt überhören”, diese Anspielung würde im Komödienskript ausgereizt bis zum Gehtnichtmehr, und das Burschi würde langsam verschrumpeln in seiner sonnengebräunten Zniachtligkeit.
Im “gekonnt Überhören” war übrigens damals, in den frühen 1990ern, M. die Spezialistin; sie war auch Expertin im gekonnten Übersehen. Denn man muss natürlich bei aller Begeisterung für den Diesel sagen, es waren ausreichend, verzeihen Sie mir den Ausdruck, übergriffige Sautrotteln unterwegs in diesen Nächten, die junge Frauen deppert anschauten, deppert angingen. When we were young, life wasn’t always beautiful. M., mit der ich oft unterwegs war, war häufig Objekt solcher Blicke und Ansagen. Ich glaube nicht, dass ich jemals jemanden kennengelernt habe, der so elegant bewusst Menschen ignorieren konnte.
Ich, ich habe gestern übrigens den Sager vom Burschi nicht gekonnt überhört, sondern einfach gar nicht gehört. Wenn eine älter wird, erspart sie sich mit gewissen Gebrechlichkeiten dann doch so Einiges.
]]>Beatrice Dillon & Kuljit Bhamra im Rahmen der Wiener Festwochen im Porgy & Bess. Bei der Ankunft eine Menge lauter junger Leute in mittelmäßiger Auftakelung mit nordamerikanischem Englisch neben dem Eingang zum Porgy. Kurz gedacht, das kann jetzt aber nicht das Publikum für dieses Konzert sein, die sind sicher wegen irgendeiner Party mit Gimmicks im Modegeschäft nebenan. Ich besorge mir ein Getränk unten an der Bar – “entschuldigen Sie, ich dachte, Sie hatten schon bestellt” – “liegt an meinem G’sicht, ich schau immer so aus, als hätt ich schon bestellt, ja, es gibt solche Leut’” –, da strömen die Youngsters dann aber alle tatsächlich in den Konzertraum. Lieber auf die Galerie, alsdann.
Kuljit Bhamra humpelt auf die Bühne. Nichts Temporäres; Nachwirkungen einer Polio-Erkrankung als Einjähriger, in Kenia, wo sein Vater (wohl aus dem Punjab) beruflich tätig war, als was, weiß ich nicht genau. Die Mutter, Mohinder Kaur Bhamra, Sängerin, vom Vater an der Tabla begleitet; Musikerfamilie. Die Familie zog ins UK um, Southall als kulturell prägende Umgebung, kommunales Musizieren, Tabla, Bhangra. Bhamra hoch dekoriert, ausgezeichnet mit einem MBE (Gurinder Chadha hat übrigens auch einen OBE, war mir doch glatt entgangen).
Der junge Mann von den Festwochen kündigt an, das Konzert würde 40 Minuten dauern, und dann gäbe es einen DJ. Vielleicht sind die Youngsters deshalb da. 40 Minuten, enttäuschend kurz und für 25 EUR Konzertkarte schon eine Frechheit, war auch nirgends so angekündigt, meine ich. Aber es passt dann, denn die Bandbreite der Elektronikerin und des Tablaspielers ist klangmäßig eh recht eng. Mit Ausnahme einiger weniger Oha-Momente entwickelt sich auch keine rechte Dynamik zwischen den beiden. Da fängt was an, immer wieder, und versandet, bevor es sich entwickeln kann. Ich mag das Stück Workaround One, komme aber zum Schluss, das ist dann doch eher Begleitmusik für zu Hause, keine Konzentrations- oder Konzertmusik. Hinter mir erzählt eine junge Dame einer anderen am Ende, jetzt gäbe es ja noch DJ und man könne tanzen, sie sei letzte Woche auch da gewesen, das sei ihr aber zu extrem gewesen (das war nach Schneidewind & Hvizdalek, die ich leider knapp verpasst hatte, und DJ Yuzu ist wirklich nicht extrem). Womöglich ist das Festwochen-Youngsterpublikum so, bei der Viennale würd’ einer das wahrscheinlich nicht passieren, will ich hoffen. Immerhin sehe ich aber beim Rausgehen auch einen bekannten Wiener Kulturwissenschafter mit erinnertem Rampensau-Talent, und sonst auch einige ältere Semester, auch Gesichter, die ich der South Asian Community Wiens zuordne; insgesamt eine sehr kuriose Mischung.
Dass das Konzert nur 40 Minuten dauerte, hat den Vorteil, dass noch ausreichend Zeit für den Besuch des ersten von zwei jetzt dann also wirklich dezidiert experimentellen Abenden von Klang 30 war. 10 Acts insgesamt als 30-Jahr-Feier des von Walter Robotka betriebenen Klanggalerie-Labels mit bewundernswert ausdauerndem Einsatz für das musikalisch-klangliche Experiment. (Hier die Bandcamp-Seite.) Vom schwülen Bar-Rotlicht des Porgy & Bess in die heimelige, leicht abgeschrabbelte Kellerfinsternis des Replugged mit dem diskreten Charme einer verspiegelten 1980er-Disco. Eindeutig stärker tätowiertes Publikum als im Porgy, oder, sagen wir, mehr Menschen mit gealterten Tätowierungen, die diese auch gern auslüften. Kleidungsmäßig herrscht das von Waschmaschinen über Jahre unsanft behandelte Schwarz. Altersmäßig durchmischt, aber nicht besonders jung. Michael Fischer macht ganz großartige Dinge mit seinem Feedback-Saxophon (hier auf Youtube ein Beispiel), Klackern und Perlen, Kreischen und Hauchen, und wenn er dann bläst und zur gleichen Zeit verhaltenen Raungesang betreibt, ist es zudem eine Freude, den Vibrationen seiner Wangen zuzuschauen. Danach, für mich eh schon recht spät, Richard Schneider (Schloss Tegal), sehr darker ambient Industrial-Sound mit 9/11- und Abu-Ghraib-Videos. Das sieht und hört sich nach etwas an, das lange her ist. Ein Leih-E-Scooter bringt mich nach Hause, nicht, ohne vorher in der App noch mein Reaktionsvermögen getestet zu haben, sowas machen die also auch.
Am nächsten Tag wieder hin, diesmal fürs ganze Programm. Total antiklimaktische U-Bahn-Fahrt, wenig Leute unterwegs, das Exotischste ein schlecht rasierter Kapperlträger mit einer Flasche Limoncello in der Hand. Wirklich fantastisch dann die Soloauftritte von Philip Sanderson, Kevin Tomkins und Sainkho Namtchylak. Menschen, bei denen man das Gefühl hat, die haben ihre Kunst einfach drauf, wissen, was sie tun, unprätentiös, souverän, mit viel Oha. Namtchylak war mir schon länger bekannt, ich höre sie aber zum ersten Mal ganz solo; das begeistert nicht nur mich. Sanderson und Tomkins nachzugehen führt in Explorationen von Nischen innerhalb der jetzt schon älteren Analog-Elektronikmusik, die mir als solche neu sind. Zu Sanderson gibt’s die Bandcamp-Seite mit Re-Issues seines 1979 aufgekommenen Kassettenlabels “Snatch Tapes” und mit neuem Material seit 2000 vorwiegend von Sanderson und Ice Yacht. LOST WITH ALL HANDS : The Legend of Goodwin Sands gefällt mir ausnehmend gut. Von Tomkins gibt’s ein rezentes Soloalbum mit unpräparierter Autoharp auf Klanggalerie, in das man online kurz reinhören kann (Link); ihn live zu sehen lohnt sich, viel Feingliedrigkeit im Klang mit ordentlich Energie.
Ein signifikanter Anteil der Auftretenden sind ehrwürdige angloamerikanische Herren mit Verwechslungsrisiko. Stattlich gebaut, kurz rasiertes, weiß glitzerndes Resthaupthaar, gern auch schwarz gerahmte Brillen, Kapperl am Kopf. It’s a thing, apparently. Das Duo “Hastings of Malawi” (eigentlich ein Trio) gehört da auch dazu, trägt aber beim Auftritt Schweinemasken am Kopf. Klangcollagen, teils schrille Elektronik, Klarinette, stoisch ins Mikrofon gelesene Listen. Filmcollagen mit viel 08/15-Ostasienmotiven drin (Massenperformances, Militärparaden). Auch das alles etwas, das sich lange her anfühlt. Abschließend der reizende “I’m a homosexual left-handed artist from Northern England” Fil OK mit einem sehr superen blauen Anzug mit weißen Wölkchen drauf. Elektronikdisco vom feinsten (Soundcloud), Sound, bei dem einige der Anwesenden sogar leicht ins Wippen geraten, yours truly included (Dancing? Knöchel says no!). Er hat auch eine mit einem sehr schönen Video bebilderte Nummer namens “Bird”, Hommage an einen verstorbenen Dichterfreund.
Apropos unprätentiös: sehr charmant, dass es bei der ganzen, in recht gemütlichem Gestus gehaltenen Geburtstagsfeier um die auftretenden Musiker*innen ging, um einen Rahmen für sie, nicht um den Befeierten. Gelegentlich ein gehauchter Dank an Robotka, bei dem man den Eindruck hat, er hat sich da ein Programm zusammengestellt, von dem er ehrlich begeistert sein kann. Man hätte den Mann ruhig ostentativer, offensiver feiern können, er hätte es gewiss verdient, aber das wär dann vielleicht out of character gewesen (ich kenn ihn nicht persönlich). Wenn man sich den Label-Katalog der Klanggalerie anschaut, hätte so eine Feier übrigens auch gut zu einem Familienereignis der Wiener Experimentalmusik werden können, und es ist fein, dass es das nicht geworden ist, weil die meisten davon sieht man eh auch sonst öfter, und Wien neigt ohnehin zum Überfamiliärsein (obwohl dann vielleicht das Publikum zahlreicher gewesen wäre, bissi mehr Leute hätten’s schon sein können).
]]>Aus dem Begleittext zur Ausstellung einiger Bilder der ukrainischen Fotografin Elena Subach, die in Lwiw lebt. Link zu den Bildern. Noch zu sehen in der Ausstellung Crossing Lines. Politics of Images bei der Foto Wien.
]]>An den Nebentischen treffen einander Leute, die miteinander noch wohin gehen wollen, die trinken wollen. Es scheint da nicht mehr die Sprachgewohnheit zu geben „gemma ins X“ oder „gemma ins Y“, sondern einfach „gemma trinken“. Das hat etwas Unverblümtes, Ungeniertes, aber auch Brutales. Das Lokal, so italienisch angehaucht, Aperitivos, Antipasti, aber auch gute Biere, der eine Typ unter den Gemmatrinkingern, er bestellt ein Augustiner. Neben mir ein abgerocktes Blumenkistl, unbepflanzt, gleich daneben ein rausgeputztes mit Baumarkt-Kräutern, uneinheitliches Aufmascherln, eh gut. Das Lokal ist entspannt, aber auch nicht, denn die Kellnerin hat wohl den Auftrag, bei Füllstand des Getränks von unter einer Hälfte immer nachzufragen, ob man noch einen Wunsch hätte, okay, es ist also immer noch Kapitalismus und Inflationsdruck, im Radio war in der Früh die Rede von den Millionen von Menschen im Land, die sich Waschmaschinenreparatur oder Heizen nicht mehr leisten könnten, die nur jeden zweiten Tag eine warme Mahlzeit. Dann Übergang zu Technischem, was ist die Lösung, Absenkung des einen Steuersatzes, Mietpreisbremse (politisch schon vergeigt), Preiskontrolle, Aufwertung von Kontrollbehörden, die Not in Maßnahmen verbergen, die nie greifen, weil das die Diskurslogik der Maßnahme ist. Die jüngste, konventionell hübscheste Frau unter den Gemmatrinkingers rechnet ihrem Hapschi stolz vor, um wie wenig sie jetzt beim Neubaugassenflohmarkt Kleidung eingekauft hat. Ein Typ fragt im Vorbeigehen in sein Handy “Heroin, Halbwertszeit im Körper”, eher so als Nebenprodukt des Gesprächs mit der Frau neben ihm, wie man halt so ins Handy fragt “Berlin, Einwohnerzahl”, wenn das Gespräch drauf kommt und es grad keiner weiß.
An dem anderen Nebentisch zwei Frauen, eine davon etwas älter, früher hätte man gesagt, überwuzelt, aber vielleicht sagt man das eh noch, jedenfalls in schwarzem Schlauchkleid. Wenn sie aufsteht, muss sie immer am Schlauchkleid zerren, also es nach unten ziehen über die Schenkel, denn diese verdammten Dinger rutschen ja immer nach oben, wenn man drunter Strumpfhosen. Keine Ahnung, warum man heute sowas immer noch trägt, praktisch ist es nicht, und kleidsam ehrlich gesagt auch nicht, halt einfach Rockerporno. Die Überwuzelte hat eine schwere, heisere Raucherstimme, sie unterhält sich mit ihrer Freundin, dann kommt noch ein Typ dazu, für den sie einen Sessel besorgt, zwischen jeder sesselbezogenen Bewegung eine Schlauchkleidstreichbewegung, sie sind alle sehr freundlich und zuvorkommend zueinander. Sie fällt auf zwischen den Gemmatrinkingers, die sicher bedeutend mehr Zeit in Fitnesscentern zugebracht haben, davor ihre verkaterten Organismen mit Protein-Shakes oder Ärgerem zurechtdopend, aber so richtig rausfallen tut sie nicht, also so, wie es manchmal vorkommt in Umgebungen, wo verknitterte Existenzen von glattgebügelten umgeben sind und dann die Glattgebügelten so eine Art Peinlichkeitsaura für die Verknitterten erzeugen, auch wenn das niemand beabsichtigt, es ist halt Struktur.
Ich nehme einen Negroni Sbagliato, weil das mit dem Sbagliato irgendwo in meinem Hinterkopf ist, warum auch nicht, alle anderen Frauen trinken auch rote Mixgetränke, nur die eine mit dem klein gemusterten Oberteil, die mit einem dezidiert nicht auf Alpha gestriegelten jüngeren Mann dasitzt und mit ihm wissenschaftlich fachsimpelt, auf Englisch, die trinkt ein Achterl Weiß, er ein Achterl Rot. Ich entferne polemischere Stellen aus dem Vortragstext und versuche, das Argument in seinen Konturen zu schärfen.
Your music makes me grins.
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