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- 24 08 2003 - 11:30 - katatonik

Aber das Leben ist dort

“In der Aufstellung steht die Klientin ihrem „Vater“ gegenüber. In gemessenem Abstand, drei Meter entfernt. Hellinger stellt zwei weitere Männer dazu, Stellvertreter für ihre Heimat Palästina. Regungslos starrt die junge Frau in Richtung des „Vaters“. Minutenlang. Dann spricht der Therapeut sie an. „Sag deinem Vater: ,Ich geh zurück!‘“ Hellinger will die junge Frau zurück nach Palästina schicken, in die „schicksalsbestimmte Heimat“, die sie als einjähriges Kind verließ. Mühsam bringt die Patientin die Worte über die Lippen: „Ich geh zurück!“ Dann steht sie weiter wie angewurzelt da, bis Hellinger sie ermuntert: „Geh!“ Sie sieht den Therapeuten fragend an. „Zurück!“ Keine Reaktion, nichts. „Also, sie schafft das nicht!“, verkündet Hellinger dem Publikum. „Depression und Manie sind einfacher. Aber das Leben ist dort“, in Palästina. Lächelnd wendet er sich an die Klientin: „Ich will dir was sagen, ja? Ob du dort stirbst oder dich hier umbringst, ist kein großer Unterschied.“ Damit ist die Frau entlassen.”

Die Zeit, Martin Buchholz über Bert Hellinger und Familienaufstellungen.


Dr. Hack, Experte vom Institut für Therapeutentherapie meint: "Interessanter Fall!"

gHack (Aug 24, 03:25 pm) #


Hellinger wurde mir im Studium als ernstzunehmende Therapieform verkauft, mir war das die ganze Zeit schwer suspekt, kommt für mich gleich nach Wunderheilern, Hellinger aber richtet mit Sicherheit noch grössere Schäden an, ich hönnte mich darüber stundenlang aufregen

Andi (Aug 24, 09:05 pm) #


mit labilen leuten darf man familienaufstellung nicht spielen, das geht an die substanz der persönlichkeit. aber: ich habe selbst etwas positives mitgenommen: die meisten irritationen sind hausgemacht. schadet nicht, darüber nachzudenken. eine visualisierung ist da sehr viel plastischer, als ob man es nur besprochen hätte.

LaTaiga (Aug 24, 10:04 pm) #


Aber: Wenn du kein Problem hast, wirst du auch keine Familienskulptur machen wollen.

gHack (Aug 24, 10:26 pm) #


familienaufstellungen SPIELEN? ach! das soll ein spiel sein?

engl (Aug 24, 10:36 pm) #


Man kann ja Probleme haben, ohne gefährlich labil zu sein. Der Verlauf solcher Familienaufstellungen scheint sehr stark von den Therapeuten abzuhängen. Hellinger, das hat sowas von Zurschaustellungsritualen, von Vorführung, von Da-musst-Du-Durch-Feuerkohlenlauf.
Eigenartig auch: Therapie als einmaliges Ereignis. Hingehen, sich Feuertaufe holen, geläutert werden. Nichts mit vielleicht auch unangenehmen, langwierigen Therapeutenbeziehungen, wo viel über einen gewusst wird, sondern allenfalls das Risiko einer Einmalentblößung vor Fremden, die fremd bleiben. Oder?
Die Familienfixierung ist mir vom Ansatz her nicht ganz geheuer. Mir wurde von Leuten, die eine Aufstellung gemacht haben (nicht bei Hellinger), sehr viel Positives erzählt, aber ich frage mich, ob diese Ideen, die man da so kriegt (z.B. Vergewaltigung und Abtreibung in der Großelterngeneration bestimmt Verhältnis von Töchtern und Enkelinnen zu Männern), nun ja, ob das etwas anderes sein kann als eine innerhalb dieser Therapieform fast notwendig generierter Art von Autosuggestion.

katatonik (Aug 24, 10:45 pm) #


Autosuggestion muss das nicht unbedingt sein; wenn beispielsweise die Großmutter Männer für Schweine hält, dann kriegt die Enkelin das auch mit. Und merkt sich's vielleicht. Dazu muss ich aber keine Aufstellung machen, das ist simpler gesunder Menschenverstand und hat nichts mit einem Geraune à la "die Sünden der Alten..." zu tun. Und funktioniert natürlich auch nicht, wenn die Enkelin ihre Oma nur zwei Mal im Leben gesehen hat.

Mir scheint jedenfalls, dass in diesen Aufstellungen nur zu gerne das Klischeebild als allgemein gültig verbraten wird, das da heißt: in einer Familie haben sich eigentlich alle lieb, immer. Wenn z.B. einer unter der Abwesenheit des Vaters gelitten hat und diesen Vater in der Aufstellung natürlich ganz an den Rand stellt, dann fühlt sich wiederum die Person, die den Vater darstellt, ganz fürchterlich ausgeschlossen – auch nicht ungewöhnlich. Und dann die Diagnose: hach, was hat der Junge seinem armen Daddy doch Unrecht getan! Dass der Vater in Realität vielleicht eine ganz andere Bezugsgruppe hatte, fällt völlig unter den Tisch. Naja, und da kommen dann so Ekelhaftigkeiten heraus wie der Fall der Frau, die sich vor ihrem Ex verneigen musste.

carla (Aug 25, 05:02 pm) #


haq: ich neige dazu zu denken, ich hätte kein problem. wenn ich mich damit beschäftige, warum ich wie funktioniere, dann kommt da aber was hoch. wie gehts dir damit?
ich fand das wichtig, mich selbst aus einer anderen perspektive als der betriebsblinden zu kennen. in dem system familie kann man sich ziemlich gut kennenlernen, weil es das schon so lange gibt und weil es so gut funktioniert. das ist der teil der persönlichkeit, den man nicht kontrolliert.

LaTaiga (Sep 1, 06:28 pm) #


Ich verstehe schon, was Du meinst, LT. Meine Kritik bezog sich auf die Methode, wie sie in dem Artikel dargestellt wurde. Das las sich so, als würden da tiefsitzende psychische Probleme mit nur einer Sitzung behandelt und die Patienten anschliessend als geheilt entlassen. Ich weiss nicht, ob diese Darstellung stimmt.

gHack (Sep 1, 06:51 pm) #


Ist nicht das eigentlich Paradoxe daran, dass diese doch so auf Dramatik und Inszenierung ausgerichtete Therapieform letztlich genau denjenigen am meisten bringt, deren Gehirnmasse sich ohnehin bereits eingehend damit beschäftigt, "warum sie funktionieren"? Will sagen: Therapie für die "Reflektierten".

katatonik (Sep 1, 07:04 pm) #


haq: den theaterkokolores halte ich auch für fehl am platze. es geht um ein sehr persönliches selbst-erleben, klarwerden usw. nicht um öffentliche steinigung. ich hab sowas in einer kleinen gruppe gemacht, das funktionierte ganz gut.

katatonik: so ist das doch im grunde mit jeder therapie. sie ist ersteinmal ausdruck der krankheit. mir gehts da glaube ich ähnlich wie dir: das reflektierte und schon therapierte schreckt mich an den therapiewilligen ab. das ist, als ob die hinterher rechtfertigen müssten, warum sie sich therapieren lassen. an sich eine gute sache, aber die leute sind durchaus scientologyesk in ihrem reflektierten "ich bewege mich von a nach b und finde das super". das ist zu banal.

LaTaiga (Sep 2, 09:06 pm) #

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