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- 24 03 2004 - 19:44 - katatonik

Moslems in Wien

Sehr schön, im Falter 13/04 vom 24.3., eine Reportage von Florian Klenk über Moslems in Wien, alles drin, alles dran, nicht zu viel, von nichts zu wenig: der enttäuschte türkische Wiener Journalist, der nach Jahren in der Türkei sein Wiener Umfeld erschreckend konservativ findet, die teetrinkenden Anfangs-Zwanziger am Brunnenmarkt, die es schon bemerkenswert finden, dass in den Twin Towers keine Juden waren, denen nach Abrutsch in alkoholisierte Chancenlosigkeit der Glaube wieder halt gab, der Integrationsverein, der versucht, mit dem Köder des Liberalismus (Computerspiele, Tanzen, Flirten) religiösen Institutionen das Machtmonopol über Jugendliche wegzunehmen, die jungen Syrer, die es bemerkenswert finden, dass in den Twin Towers keine Juden waren, der Medizinstudent, 25, der das Wort “Feminismus” nicht kennt, der in moderaten islamischen Kreisen beliebte Prediger Scheich Adnan Ibrahim, der klare Verurteilungen von Anschlägen auf muslimischer Seite vermisst und sagt “die Muslime müssen endlich den Westen in sich aufnehmen, um von ihm aufgenommen zu werden”, der SPÖ-Gemeinderat Omar Al Rawi, der aufpassen will, dass vor der Moschee nicht ein “paar Depperte ihre radikalen Gschichtln machen” und der findet, die Muslime sollten endlich statt dem Istanbuler den Wiener Wetterbericht ansehen, die muslimischen Vereine, die eigene Hallenbäder anmieten wollen zwecks geschlechtergetrenntem Jugendschwimmen, alles da, auch die Zweifel des Autors, ob er jetzt gerade Aussagekräftiges hört oder einfach nur aufgedrehtes Maulheldentum. Das einzige, was an dieser Reportage nicht passt, ist, dass sie nicht online ist.

Sehr schön übrigens auch die Schlusspointe: der SPÖ-Gemeinderat bittet: “Machen Sie mir die Muslime bitte nicht allein für den Antisemitismus verantwortlich!” Nachsatz Klenk: “Zumindest das fällt in Wien nicht schwer.”


Die gleiche Falter-Ausgabe enthält übrigens einen hochinteressanten Text über Frank Stronachs Steuerflucht in die Schweiz. Eigentlich eine journalistische Bombe, von der ich schon den ganzen Tag warte, dass sie im ORF ihre Rauchspuren zeigt: der Oberpatriot und Unternehmenspatriarch Stronach, der aus Kanada heimgekehrte Austro-Bub, ders im Ausland zu was gebracht wird, ja, eigentlich mögen die ihn in Kanada gar nicht mehr, weil er dort Steuerflucht betrieben hat und sein Unternehmen undurchsichtig strukturiert kontrolliert und Millionen an Beraterhonoraren kassiert, die über die Schweiz auf die Kanalinseln, tja. Dass dieser Text übrigens nicht in jenem Wochenmagazin erscheint, für das sein Autor arbeitet, sondern im “Falter”, wäre auch eine Geschichte wert.

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