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- 6 11 2005 - 10:37 - katatonik

Unruhen, Randale, Rebellionen, oder was immer es eben ist

Feuer in Vororten, in sozialen Brennpunktgebieten, in Problemzonen am Rand der Gesellschaft.

Hart durchgreifen, kann man so nicht tolerieren.

Furchtbar, kann man aber verstehen (arbeitslos, keine Zukunftsperspektive, jung, fremd, ausgegrenzt, chancenlos).

Brennende Autos, offenbar hauptsächlich Autos, dann aber auch Geschäfte, ein Kindergarten, Polizeifahrzeuge. Oder aber: erst ein Postamt, dann eine Feuerwehrstation, Busremisen, Polizeifahrzeuge, im Zuge dessen viele andere Autos, Kollateralschäden.

Empörender Innenminister, der die Vororte kärchern will, Jugendliche dort Lumpenpack nennt und Schlimmeres. Polizei, die alltäglich Jugendliche schikaniert, Provokationen. Provozierend Tränengas in eine Moschee wirft.

Vorstadt-Intifada.

Rebellion.

Wir machen hier Bagdad jeden Tag, werden ein paar Autoanzünder zitiert. Wer ist die Besatzungsmacht? Die Eltern, die Nachbarn?

Ja, eigentlich sollten wir ins Zentrum ziehen, aber, werden ein paar Autoanzünder zitiert.

Versuche, wie immer fehlerhafte Versuche, Aktuelles, Beängstigendes, Undurchsichtiges, Unüberschaubares zu ordnen, als Beschreibung maskierte Ordnungsversuche, ganz real. Die Beschreibungen können nicht verbergen, wie gerne sie auf der Straße Ordnung machen wollen, nicht nur begrifflich.

Schüren des Betroffenheitsreflexes: Der Betroffenheitsreflex kennt nur den unbändigen Randalierer, der jetzt einzudämmen ist, mit Härte wegzusperren. Er kann gar nicht anders. Der Betroffenheitsreflex hat keine Perspektive. Bei Hungerzonenbildern kennt er nur den sofortigen Griff zur Brieftasche, weil Geld die einzige Möglichkeit ist, rasch zu helfen, Spenden. Bei Brandbildern aus Städten – da, in unserer Mitte – kennt er nur den möglicherweise von Zweifeln geplagten, mehrheitlich aber ganz kalten, klaren, zornigen Ruf nach ordnender Gewalt (hart durchgreifen).

Sie schaden sich doch selber. Das Einbetten der Autoanzünder in ihre community, weil der Migrant ohnehin der einzige ist, der eine solche hat in Städten und vor allem Vorstädten, vor allem im kleinteilig organisierten Quasi-Getto, enge Netze, Sie wissen schon. Der Migrant und seine Nachbarn und seine Familie und sein Imam. Sie schaden sich doch selber. Müssten ins Stadtzentrum ziehen, sagen die, die von Rebellionen und Intifada und Aufruhr und Revolution sprechen, lieber als von Krawallen und Randale.

Als Sarkozy von der Organisiertheit der Autoanzünder spricht, davon, dass das unmöglich spontane Ausbrüche sein könnten, sondern eine Organisation dahinter stecken müsse, also da unwillkürlich an “Power of Nightmares” gedacht, BBC-Dokumentation, da ein Schnipsel daraus: dass Al Quaeda nach dem Vorbild der Mafia zu einem organisierten Feind gemacht wurde, zu einem nach bekannten Mustern organisierten Feind, dass die Strategien der Bekämpfung ein bekanntes Muster bekämpften, weil sie nichts anderes bekämpfen konnten.

Der Noch-Reflex. Noch ist es ruhig, anderswo als in den Problemvierteln. Der Wie-lange-noch-Reflex. Wenn das Feuer (Metapher!) von den Jugendlichen auf ihre Eltern übergreift, die in den noblen Vierteln still zum Hungerlohn Tische abräumen, Kinder zu Schulen bringen, Straßen kehren. [Schnitzler, die Dunkelheit der Wiener Vorstädte Anfang des 20. Jahrhunderts, die Angst der Nichtvorstadtwiener vor den Vorstadtmassen, den marodierenden.]

Feuer, Brandherde, Brennpunkte, Lauffeuer.


"power of nightmares" ist übrigens bei archive.org erhältlich.
http://www.archive.org/deta...

stefan (Nov 6, 05:02 pm) #


wenn man vom feuerteufel spricht: nur 1zwei fußnoten:
- die bleiben sehr immobil und verlassen ihre viertel nicht
- das, was richtig gut brennen würde, wird nicht angesteckt, sondern nur so mobil(!)garantierer und versorgungs- und repräsentationseinrichtungen

supatyp (Nov 8, 01:02 pm) #

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