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- 19 02 2002 - 17:23 - katatonik

Nochmals zum “Occidentalism”

Franziska Augstein schreibt in der Süddeutschen Zeitung über die amerikanische Außenpolitik auf der Suche nach ihren Monstern. Der Text an sich ist nicht aufregend und ringt ermüdete Zustimmung ab, da die Motive ja eh schon bekannt sind. Hegemonie, Idealismus, Sichhinwegsetzen übers Völkerrecht, undsoweiter.

Die letzten zwei Absätze sind allerdings merkwürdig:

“Die wissenschaftliche Feinabstimmung wurde unterdes von anderen vor genommen: In der „New York Review of Books“, die als Forum für die Vordenker der amerikanischen Regierungspolitik gilt, publizierten der Journalist Ian Buruma und der israelische Philosoph Avishai Margalit einen Aufsatz namens „Occidentalism“.

Der Begriff bezeichnet das Gegenstück zu Edward Saids Orientalism. Said hatte die westlichen Vorurteile gegenüber allem „Östlichen“ im Sinn. Parallel dazu beziehen Buruma und Margalit jetzt den Begriff „Okzidentalismus“ auf die „Feinde des Westens“. Angefangen mit dem japanischen Totalitarismus und endend beim islamischen Fundamentalismus, hat der Ausdruck „Okzidentalismus“ den Vorzug der Flexibilität: Nicht der Islam als solcher, sondern lediglich jene Muslime, die den Westen ablehnen, sind damit gemeint. De facto ist das nichts anderes als eine diplomatische Variante von Huntingtons These. Damit Washington auch ganz sicher versteht, was es mit dem „Occidentalism“ auf sich hat, haben die Autoren auch von einer „islamistischen Revolution“ gesprochen. Damit hätte die revolutionäre Sowjetunion endlich ihren Nachfolger gefunden.”


Was mich zunächst verwundert, ist, dass die New York Review of Books als “Forum für die Vordenker der amerikanischen Regierungspolitik” gilt. Frag ich mich: bei wem? Ich habe dort schon so einiges gelesen, Vordenkerisches in Sachen US-Regierungspolitik allerdings noch nicht.

Den inkriminierten Artikel halte ich tatsächlich für bedenklich, aber aus anderen Gründen, wie hier schon dargelegt: Bedenklich ist, dass in dem Text eine Nähe zu Saids Orientalismus-Begriff suggeriert wird, aber in der tatsächlichen Darstellung des Okzidentalismus-Begriffs keineswegs durchdacht und ausgearbeitet – Orientalismus ist ja nun wirklich nicht genau so als “Feindschaft dem Orient” gegenüber gedacht wie Buruma/Margalit den Okzidentalismus als “Feindschaft dem Westen” gegenüber verstehen. So ein Feindaufspüren unter dem Deckmantel eines scheinwissenschaftlichen Begriffs ist in dieser Form natürlich auch bedenklich. Allerdings halte ich weder den Text noch seine Erscheinungsweise in ebenjener Zeitschrift für geeignet, daraus eine wissenschaftliche Untermauerung (der Text ist überhaupt nicht wissenschaftlich, dafür ist er viel zu vage und assoziativ gehalten) und Legitimierung amerikanischer Kriegspläne zu basteln. Das kommt mir wirklich etwas hysterisch vor.





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