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- 24 04 2002 - 12:38 - katatonik

Okzidentalismus: Hassan Hanafi

“Ich habe eine Reaktion hervorgerufen, die den Westen zurück in seine natürlichen Grenzen verweist. Ich bin gegen den Mythos der globalen Kultur und modernen Zivilisation und gegen den Mythos, dass ich nicht modern sein kann, und wenn doch, dann nur als Entfremdeter. Ich will das Gefühl der Depression, Machtlosigkeit und Minderwertigkeit bei den Arabern und Muslimen aufheben und bin dagegen, dass meine Kultur in die Museen gehört, die sie sich anschauen können, als ob ich nur ein passives Objekt und kein aktives Subjekt wäre.

Ich will die Dialektik zwischen Subjekt und Objekt wiederherstellen, und statt nur das Objekt im Orientalismus und in der Anthropologie zu sein, wo der Okzident der Betrachter und Forscher ist, will ich auch der Forscher sein, wo mein Forschungsobjekt in der Okzidentalistik der Okzident ist. Ich will lernen, wie ich diese Rolle des Forschers und Betrachters übernehmen kann. Ich will mir das Forschen, Denken und Abstrahieren der Wirklichkeit aneignen und das Monopol des Okzidents brechen. Denn dieses sieht Husserl als Haupteigenschaft des europäischen Genius. Ich habe meine Mystik, meine Ethik- und Moralvorstellung, habe aber nicht die Fähigkeit zum Theoretisieren, und daher will ich eine Reaktion des Okzidentalismus gegen den Orientalismus bewirken, dies entspricht der Dialektik der Geschichte und dem Kampf der Zivilisationen. Der Okzident übte den Kampf der Zivilisationen immer durch die Geschichte aus. Alexander der Große wollte den ganzen Orient zu Griechenland umwandeln, auch die Römer wollten den Orient römisch neu kreieren, und die Kreuzzüge versuchten, den Orient zu erobern, Frankreich versuchte seit dem Jahre 1830 die arabische Sprache in Algerien zu vernichten und auszurotten. Was die USA will, ist eigentlich, durch ihre Marktwirtschaft eine Amerikanisierung der Welt durchzusetzen. Der Okzident hat immer von sich behauptet, Respekt vor anderen Kulturen zu haben, übt aber ständig einen Kampf der Kulturen aus. Die Bedeutung von Huntington ist, dass er in der Öffentlichkeit proklamiert hat, was der Okzident im Geheimen ausübt. Wir sind im Gegensatz dazu für den Dialog der Zivilisationen, denn als wir die Stärkeren in der Geschichte waren, haben wir mit den Griechen und Römern im Westen, aber auch mit den Persern im Osten Dialoge geführt und ein vorbildliches Modell für den Dialog der Zivilisationen in Andalusien gegründet. Der Hintergrund der europäischen Renaissance, in Bezug auf die Einheit der Offenbarung, der Vernunft und der Natur, ist eigentlich ein islamischer arabischer Hintergrund, und auch, dass die Vernunft des Denkens in der Natur ihre Gesetzmäßigkeit erfährt, und dass es beim Denken über die Gesellschaft zur Theorie des Gesellschaftsvertrages kommt. All dies stand seit den Übersetzungen aus dem Arabischen — teilweise über das Hebräische — ins Latein im Hintergrund der Aufklärung in Europa.

Die Zivilisationen stehen zueinander manchmal in Dialog und manchmal in Kampf Wir haben in der Geschichte das arabisch-islamische Modell für den Dialog der Zivilisationen gegründet, der Okzident präsentiert jetzt das Modell des Kampfes der Zivilisationen, ixh nehme nun diese Kampfansage der Zivilisationen seitens des Westen wahr, in derder Islam verzerrt präsentiert wird, verbunden mit Terrorismus, Menschenrechtsverletzungen, Rückschritt und Unterdrückung der Frau, brauchen sich nur die westlichen Medien anzuschauen, wie karikaturistisch der Islam dargestellt wird. Sie werfen dem Islam und den Muslimen Gewalt, Terrorismus, Sexismus und Rückständigkeit vor. Der Westen präsentiert sich dagegen als Modell des Forschritts und der Überlegenheit, wie Berlusconi es zum Ausdruck gebracht hat. Er sieht nicht, dass der Westen eine Doppelbewertung vornimmt, denn der Mensch gilt im Allgemeinen nicht als Mensch, sondern nur als individueller Mensch, und die Vernunft ist die formell abstrahierte, und die Natur ist nur die materielle, wie der Westen sie sieht. Wir sind jetzt im Kampf gegen den Okzident, und in diesem Kampf versuche ich zu zeigen, dass die arabisch-islamische Zivilisati on ihre Wurzeln tief in der Geschichte hat, dass sie im Westen verzerrt wurde, und dass die Konflikte jetzt intellektueller Art sind, durch Bilder, die jeder von dem anderen kreiert. Denn der Kampf ist nicht nur militärischer, materieller Art, sondern auch ein Kampf der Bilder gegenüber anderen Bildern. Seit dem 11. September wurde in den USA das Bild des starken Helden, des Sheriffs, der alle Macht besitzt und zu allem fähig ist, und das Bild der anderen, die das nicht mehr akzeptieren können und sich erniedriegen lassen, zerstört. Das Bild schaut jetzt anders aus, der große Bruder muss seine Grenzen erkennen und zugeben, und der, der vor dem September schwach und passiv war, ist jetzt widerstandsfähig.”


Trifft sich gut: Die neue Ausgabe von polylog (nr.7, leider nicht online) bringt eine Übersetzung eines Interviews mit Hassan Hanafi, verfertigt und zusammengefaßt von Jamel Ben Abdeljelil. Über Hanafi war hier schon die Rede, da er 1992 ein 881-seitiges Werk über Okzidentalismus veröffentlichte.

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