Vom Hören, Sehen und Verfolgen
Wie bei Flickr jetzt auch in last.fm eingestiegen, mit kurzer Unterbrechung während der zwei, drei Tage, da sich der last.fm-Server unlängst in einem Auto befand und von Wien nach London reiste.
Der gleiche Vorgang: Irgendwo in der virtuellen Kleinfamilie weist jemand darauf hin, anfangs interessiert’s nicht so, dann doch, und irgendwann ist dann der Account angelegt. Die üblichen Verdächtigen sind schnell gefunden, der virtuelle Freundesschwarm schnell eingerichtet.
Durchhören, durchsehen. Bei Flickr bin ich nachvollziehbar im Abladen von Bildern, in der begleitenden Aktivitäten – im Abladen von Kommentaren, von in Bilder eingespeiste Notizen. Meine Sehwege sind aber nicht verfolgbar. Niemand weiß, dass ich nach Bild Soundso zu Bild Soundso gesprungen bin, wo meine Blicke hängenblieben und verweilten, wann, und für wie lange. Niemand weiß, dass ich gerade Bild Soundso ansehe.
Bei last.fm sind nicht nur begleitende Aktivitäten nachvollziehbar, sondern die Kernaktivität schlechthin: das Hören. Jeder kann mitbekommen, wenn ich gerade Musik höre, und jeder sieht, was ich unmittelbar zuvor gehört habe. (Um pedantisch zu sein: Nicht das Hören ist nachvollziehbar, sondern das Streamen gewisser Tracks auf einen Player, der unter meinem User-Account geöffnet ist. Ja, es könnte auch ein Zombie diesen Player aktiviert haben usw. usf.)
Der letzte Abschnitt meiner Hörstrecke ist nachvollziehbar. Jeder kann durch Anklicken meines Benützernamens eine Liste meiner “Recent Tracks” sehen, also all jener Musikstücke, die ich vor kurzer Zeit gehört habe (mindestens für 240 Sekunden vor allfälligem Weiter-Klicken), angezeigt mit Datum und Uhrzeit. Auch ich kann natürlich mitbekommen, wer von meinen Freunden gerade hört, und was.
Es hat etwas Unheimliches. Gestern nacht stolperte ich zu Roland (ronsens) und sah mir an, was er gerade gehört hatte. Kannte ich nicht, klickte ich weiter, hörte ich rein. Dabei kam ich mir vor, als wäre ich plötzlich in sein Schlafzimmer getreten, unangemeldet. Überzogenes Gefühl, ja, vielleicht, aber das Ganze hatte doch einen Hauch unangemessener Intimitätsanmaßung. Warum eigentlich?
Ja, diese ganzen Tracking- und Kontrolletti-Funktionen müssten nicht sein. Bei last.fm mach ich aber nicht mit. Für meine Musikwahl müsst ich mich eh nur schämen.
gHack (Sept 27, 08:52 pm) #
wollte ich gerade noch selber ins heimische weblog schreiben, dass mir last.fm unheimlich ist und ich mir keinen account zulegen werde. oder so ähnlich. jetzt habe ich das eben hier getan.
Nach meiner last.fm-Aktivierung habe ich einen Tag lang nur Musik gehört und meine Stats beobachtet und andere User angeklickt und deren Stats usw., dabei auch manchmal so alle zehn Minuten auf ein Konto, was der wohl gerade so hört. Später dann gesehen, dass Pro-Mitglieder sehen können, wer sie anklickt. Die müssen auch gedacht haben, was ist er denn für einer. Andererseits auch egal.
Merkwürdig finde ich, dass Praschls Neighbour-Radio meinen Geschmack viel besser trifft als mein eigenes.
Parka Lewis (Sept 28, 06:33 pm) #
Eigentlich sehr realistisch. Wollten Sie noch nie die Nachbarn Ihrer Freunde zu ersteren haben?
katatonik (Sept 28, 08:09 pm) #
Was ich interessant finde, ist der Selbstkontrolle-Effekt. Zumindest bei den ersten paar Malen, dass die Kontrolle mitläuft, denkt man das auch mit beim "was spiel ich denn jetzt mal?". Und dann ist da der Drang, dem Ding seinen "echten" Musikgeschmack zu zeigen (wie einer neuen Freundin), und nicht nur, was die neuesten Platten sind.
Diese Dränge schaffen es bei mir allerdings nie wirklich über die Faulheitsschwelle herüber, und so werde ich jetzt passiv abgehört. Ist doch nur Internetz.
(Und noch eins: Bald wird man von den ersten Einbrüchen lesen, die danach getimet wurden, ob der Eingebrochene bei last.fm als musikhörend verzeichnet wurde oder nicht.)
Uh, ich bin ja viel zu spät hier. Was "der" (Anführungszeichen nur, um den Namen zu kennzeichnen) geschrieben hat,darauf wäre ich jetzt auch ungefähr eingegangen. Andererseits legt sich das auch nach ein paar Tagen. Und ich muss hoffentlich kaum erwähnen, dass ich Ms. Katatonik gerne auch Zugang zu meiner gesamten Festplatte gewähre, das wäre gewollte Intimität. Überwachen sie mich. Ich hab mir auch gleich die neue Amon Tobin besorgt. (Erinnerung: da in der Bar im Hinterhof in Wien als sie mir den Inhalt Ihres i-pod-klons zeigte. Hach).
gespenstisch übrigens auch: wie gelegentlich das tatsächlich abgespielte und das im player als abgespielt angezeigte auseinanderklaffen und in den einsehbaren aufzeichnungen über das gehörte dann sachen auftauchen, die man gar nicht gehört hat.
katatonik (Oct 5, 10:05 am) #