Seasonal memories
Zu Halloween fällt mir nur Hiroshima ein. Das hat nichts mit Kriegen und Grausamkeiten zu tun, sondern mit merkwürdigen Freunden, die ich dort hatte (und habe).
Leib- und Magenfreundin Frau H. war (und ist) Halloween-Freak. Die Dame, die überhaupt ein Bündel an handwerklicher Kreativität ist und für die europäische Handwerkfachmärkte (in Japan kennt man sowas in den Dimensionen nicht) das Paradies auf Erden sind, also die Dame überlegt sich schon Monate im voraus, was diesmal als Kostüm gewählt werden wird. Mittlerweile hat sie ein etwa eineinhalb Jahre altes Kind, das ebenfalls verkostümiert wird. Nicht nur zu Halloween. Einmal saß Frau H. in Wien herum, in einem Haus am Stadtrand, mit dem einige Monate alten Kind, und ihr war langweilig. Es war Weihnachtszeit und sie spazierte zum nächsten Supermarkt. Zurück kam sie mit allerlei Weihnachtsdekoration, Lametta, Glaskugeln und dergleichen. Damit wurde dann das Kind dekoriert.
Eines Jahres, irgendwann Ende des letzten Jahrhunderts, beschloß Frau H., für Halloween ein Papstkostüm zu nähen. Genaue Recherchen folgten, darüber, was Päpste so am Kopf und sonstwo haben.
Da Päpste ungern ohne Entourage auftreten, wurden im Freundeskreis mehr oder weniger dezent Verkleidungswillige angeworben (“Du gehst als …, und basta!”). Niemand wagte zu widersprechen. Die Truppe bestand dann letztlich aus Jesus (im Kartoffelsack mit Holzkreuz und Dornenkrone), dem Teufel und dem Papst.
Den Teufel gab meine Wenigkeit ab. Es schien der unpeinlichste Weg zu sein, Halloween zu überleben: Schwarze Jeans, schwarzer Rollkragenpullover, hervorblickende Haut- und Haarpartien an Hand und Kopf ebenfalls einschwärzen, einige dekorative knallrote Stellen (Ohrläppchen!) und eine Wollmütze mit von Frau H. höchstpersönlich angenähten, sehr kleidsamen Hörnern.
Der Papst war natürlich Höhe- und Mittelpunkt. Man stelle sich eine etwa 1,50cm große japanische Frau vor, gekleidet in weiten, weißen Umhang, komplett mit Stab und großer Tiara. Dazu kamen noch zwei Kardinäle, das muß ja schließlich auch sein. Es handelte sich um zwei etwa 20cm große Puppen, die links und rechts am Papst-Cape baumelten. Sie waren erstaunlich detailgetreu genäht, mit Kardinalsrock und Mützlein. Einer hatte sogar unter seinem Rock ein fein säuberlich genähtes Gemächt vorzuzeigen, wenn man so indiskret war, den Kardinalsrock zu heben. (Ich habe nicht darauf hingewiesen, dass Kardinäle normalerweise Unterwäsche tragen. Aber eigentlich bin ich mir da nicht mal so sicher.)
Tja, so zogen wir, begleitet von einer unpassenderweise als rosa Bonbon verkleideten Französin und einer ebenfalls unpassenderweise als Vamp oder sowas verkleideten Japanerin, durch diverse Lokale, Jesus, der Papst und ich, bewundert und gefürchtet von amerikanischen Marines, juvenilen Englischlehrern und -innen, japanischen Amüsierdamen und anderem Inventar einer typischen japanischen Kleinstadt von mehr als eine Million Einwohner.
Es kam zu tumultartigen Szenen, als Jesus in einem Lokal auf einen zweiten Jesus traf. Der Papst wurde angerufen zu schlichten und zu urteilen, welcher der beiden Jesi nun echt wäre. Der Papst aber zog die Konsumption von heiligem Wodka-Grapefruit vor. Der Teufel verhielt sich den ganzen Abend über freundlich und gesittet. Ehrlich. Er war allerdings immer wieder aufs Neue erstaunt, wie sehr sein bloßes Erscheinen die Menschen verschreckte und verstörte.
Die Verkleinerungsform ist gänzlich unangemessen. Satan läßt sich nicht verniedlichen!
die pluralform 'jesi' scheint mir bedenklich... dachte immer, das sei ein u-stamm.
oller lateiner (Nov 5, 12:43 pm) #
"Mit einem ungewöhnlichen Vorschlag hat sich Baptistenpastor Manfred Priebe (Herten) an die Deutsche Bibelgesellschaft in Stuttgart gewandt: Er schlägt vor, den Namen Jesus Christus in der Bibel und anderen christlichen Publikationen nicht mehr zu deklinieren. Nach Ansicht des Pastors würde dadurch die Bibel verständlicher. Statt vom „Wort Christi" solle man statt dessen vom „Wort von Christus" sprechen." Quelle.
Für die Ungläubigen hingegen hält diese Seite die Information bereit, "Jesus" würde als u-Stamm "aus der Reihe fallen": Jesus, Jesu, Jesu, Jesum, Jesu, Jesu. Von Pluralisierung keine Rede, was angesichts der Semantik nicht verwundert.
Für die etwas weniger ollen Leser bietet sich, angesichts dieser Grauzone der Grammatik, immer noch die Möglichkeit den katatonischen Plural "Jesi" als schmunzelig-flapsige, kreativ-unpräzise Wendung in einem Text zu begreifen, der - das sollte man vielleicht betonen, der Text ist ja in der Hinsicht wirklich sehr mißverständlich - nicht hauptsächlich der Vermittlung korrekter Grammatik dienen soll.
Da müßtest Du Dich aber beeilen. Zwar wäre der Teufel über Deinen Besuch höchst erfreut, wird aber von 21.11. -30.11. sowie von 4.-27.12. nicht vor Ort sein. - Es sei denn, Deine Teufelsbesuchwilligkeit dehnt sich auf Thailand aus, dann wäre das alles viel entspannter.
Für mich sind Sie, Madame, allerdings eher so etwas wie ein lebender Gottesbeweis.
gHack, der sich überlegt, wieviele Nadel (Nov 5, 05:08 pm) #
Um Himmels willen, halten Sie dies bitte vor verzweifelt Ihre Lämmchen dahinlaufen sehenden Kirchenfunktionären geheim, sonst rennen die mir noch die Tür ein! Zudem hoffe ich, dass an diesen Eindruck keine Einmahnung christlicher Keuschheitsgepflogenheiten geknüpft ist.
offtopic, wiedermal sockenlink, gesehen beim presurfer:
http://easyweb.easynet.co.uk/~stephenbalchin/socks.html
gruß,
roland (Nov 5, 09:31 pm) #
thailand schaff ich gerade nicht. aber satanisches würde mir am 2. oder 3. oder 4. dez gut in den kram passen. heisser november in der schweiz?
snvl (Nov 6, 12:03 pm) #
ein plural von jesus wäre ganz und gar nicht abwegig, da es sich um die aramäische form eines ganz normalen, bis heute weitverbreiteten hebräischen vornamens (jehoschua, josua, jeschu) handelt; selbst im NT kommt mindestens noch ein herr dieses namens vor, wenn nicht mehr.
oller hebraist (Nov 6, 12:36 pm) #
nach weiterem durchlesen des obigen: jaja, hatte auch verstanden, daß das da oben nicht grade ein lateinische-grammatik-sutra war. wollte aber halt mal wieder irgendwas fieses sagen. nach dem motto: "sei fies!"
im hinblick auf herrn hacks kommentar möchte ich anmerken, daß eine nach katholischen keuschheitsstandards lebende frau eher ein beweis für die nichtexistenz gottes wäre. entweder ist sie anziehend und dabei keusch - dann fragt man sich, welcher sadistische gott sowas erschaffen würde. oder sie ist in jeder hinsicht abstoßend - dann erst recht.
oller hebraist und lateiner (Nov 6, 12:42 pm) #
@plural: und ich nehme an, es ist in hebräischsprachigen kreisen auch üblich, vornamen mit lateinischen pluralformen in mehrzahl zu verwenden?
@keuschheit: es hieß ja nicht, dass eine katholisch keusche katatonik lebender gottesbeweis sein könnte, sondern eine in dieser hinsicht nicht näher charakterisierte k. dass aus dem status meiner person als gottesbeweis unter umständen keuschheitsgebote abgeleitet werden könnten, wurde von mir nachträglich gemutmaßt bzw. gefürchtet. ob die einhaltung derselben dann wiederum rückwirkung auf meinen status als lebender gottesbeweis haben würden, sei künftigen exegetengenerationen zur hirnspalterei überlassen.
@plural: nö. im singular natürlich auch nicht. da man aber neutestamentarische namen nun mal traditionsgemäß latinisiert, könnte man auch im fall mehrfach vorkommender namen korrekte lateinische plurale verwenden, mein' ich. (oder man sagt "jesüsse", analog zu f. bischoffs "kasüssen". oder, nach luthers beispiel "jesus", sg.=pl.)
@keuschheit: in diesem punkt war mein kommentar zur beruhigung der keuschheitsgebote scheuenden katatonik gedacht. also NICHT fies. GANZ lieb von mir.