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- 20 05 2003 - 00:37 - katatonik

Salam Pax, Interview

Klaus Stimeder und Stefan Kaltenbrunner haben ein Interview mit Herrn Salam Pax gemacht, der mittlerweile als Teil einer antiwestlichen Verschwörung entlarvt wurde.

Frau Godany hat den Text des Interviews online, freundlicherweise auch auf Englisch übersetzt.


Komischerweise fand ich Salam Pax nie so prickelnd, weil man ja nicht wusste, woran man war.

gHack (May 20, 04:08 pm) #


Naja, wann weiss man bei Weblogs schon, woran man ist. Ich fand (finde) das schon sehr interessant, als Phänomen, als Bemühung, als Mitteilungsdrang unter extremen Umständen.
Ich bin ja bei sowas immer geneigt, im Zweifelsfall für den Hoax-Verdächtigten zu lesen. Neues Weblog-Glaubwürdigkeitsmotto: give 'em the benefit of reality.

katatonik (May 20, 05:04 pm) #


Ich bin ja da eher skeptisch. Ich glaube noch nicht mal, dass es die Leute gibt, wenn ich ihnen die Hand schüttle.

gHack (May 20, 05:35 pm) #


Von dieser Skepsis können meine Hände beredt Zeugnis ablegen.

katatonik (May 20, 05:45 pm) #


weil man ja nicht wusste, woran man war: Das mag fürs erste Reinlesen gelten. Wenn man einigermaßen regelmäßig gelesen hat, war es - find ich - sehr deutlich, dass es eigentlich kein Fake sein konnte, und auch keine Art von Propagandatrick. Natürlich gibt's dafür nur "weiche" Argumente. Eine Art Inkonsistenz im Schreiben - in der Frequenz, im Inhalt, in der Meinung. Beiläufig wieder auftauchende Motive usw. (Vielleicht gibt es ja mal eine Bande von Linguisten, die für sowas eine Formel finden.)

bov (May 20, 10:32 pm) #


Weiss nicht. Konnte das nicht als Quelle ernstnehmen. Ist rein idiosynkratisch, ich weiss. Aber da es ihn offensichtlich gibt, ist dieser Zauber weg. Das ist gut für ihn. Vor allem, dass er überlebt hat.

gHack (May 20, 11:06 pm) #


naja, als "quelle" hab ich das sowieso nicht gelesen, da ich weder journalist bin noch journalistisch zu diesem thema gearbeitet habe, arbeite oder arbeiten werde. es ging mir da nicht drum, exklusive und supervertrauenswürdige informationen geliefert zu kriegen. anderes leseinteresse.

katatonik (May 20, 11:57 pm) #


Sehr lustig übrigens dieser kanadische Artikel. Eine beinhart recherchierte Prämisse, und los geht der Dreisatz, oder wie das in der Logik heißt:
1. Salam Pax muss ein Kind der Nomenklatura sein.
2. Salam Pax ist sich keiner Schuld bewusst.
3. Salam Pax ist ein ganz durchtriebener Desinformant. Desinformatiker. What ever.

Die genetische Nähe zum System und das dadurch verwirkte Recht auf eine eigene Ansicht. Is ja wie im Osten.

bov (May 21, 12:37 am) #


"Desinformatik" sollte man gleich an der ETH als Studienfach einführen.

Klar, den Salam Pax konnte man auch eher belletristisch lesen. Aber ich hatte schon das Gefühl, dass er mit der Zeit zur Quelle befördert worden ist.

gHack (May 21, 10:07 am) #


Ich meinte eigentlich nicht: als Quelle lesen vs. als Literatur lesen, sondern etwas als Bericht zur Kenntnis nehmen, ohne es unter dem Gesichtspunkt journalistisch auswertbarer Information zu scannen. So, wie wenn einem im Zug oder Flugzeug interessante Mitreisende Geschichten aus ihrem Leben erzählen.
Zur Quelle befördert? Ist mir nicht aufgefallen. Ich habe zumindest nirgendwo Berichte gelesen, in denen man sich für Fakten auf Salam Pax als Quelle bezieht.
Zum Authentizitätsfrosch stilisiert? Das schon eher. Daher ja auch die Glaubwürdigkeitsprobleme: Man braucht aus der Krisenzone einen Authentizitätsfrosch, und wenn dann ein einziges persönlich gehaltenes Weblog aus der Krisenzone schreibt, muss es eben verfroscht werden.

katatonik (May 21, 10:47 am) #


Na, aber man musste dann doch schreiben, dass es ihn gibt, den Salam Pax. Der Hinweis allein genügt. Frequenz und Referenz. Wenn man ihn liest, dann muss sich der Endnutzer entscheiden, ob er Salam Pax für echt hält oder nicht. Man braucht ja nicht unbedingt ein professionelles Grossmedium um Authentizitätsfrosch zu werden.

gHack (May 21, 11:29 am) #


Mitreisende Geschichten aus ihrem Leben erzählen: ja. Das war ja das (ganz unironisch) Ergreifende: dass da *ein Mensch* sprach. Kein Stammtischstratege, kein Dummbatz, kein Meinungsabsonderungsfuzzi.

bov (May 21, 11:29 am) #


Ja, aber man wusste bis jetzt nicht, ob er wirklich ein Mensch war.

gHack (May 21, 11:37 am) #


Man las Texte und entnahm ihnen, dass da ein Mensch spricht. Was sollte das denn auch sonst gewesen sein, was da sprach? Ein Alien? Ein Sprachroboter? Meine Schreibtischlampe? Wohl kaum.
Man wusste nicht, welcher Mensch das war, aber das weiss man jetzt eben wohl auch nicht. Das weiss man bei Mitreisenden im Zug auch nie genau. Ob die die Wahrheit erzählen, weiss man auch nie genau.
Aber warum sollte das auch das einzige Zuhörerinteresse sein? Oder das wichtigste? Muss ja nicht interessieren. Kann man ja mal hinhören.
Man musste auch nicht schreiben, dass es Salam Pax gibt, wenn man nicht wollte.

Manchmal frage ich mich, ob der ganze Netzskeptizismus (ist X wirklich, ist Y wahr) nicht davon getrieben wird, dass zu viele zu vieles so lesen, als ob es dazu geschrieben wäre, ihnen Wahrheiten zu vermitteln.

katatonik (May 21, 02:56 pm) #


Skepsis ist im Netz gesund. Ich glaube nicht, dass sich der durchschnittliche Leser von Salam Pax nicht gefragt hat, ob das alles nicht vielleicht doch ein Hoax ist. Und die Versuchung über Salam Pax mit seinem Alleinstellungsmerkmal "einziges Blog aus dem Kriegsgebiet" nicht zu berichten, ist dann doch recht gering.

gHack (May 21, 03:09 pm) #


Skepsis im Netz ist nötig, klar. Es ist aber ein bisschen wie früher mit der Stasi. Wer das Misstrauen gegenüber anderen nicht relativieren konnte, hat sich selbst paralysiert; war zu keinerlei abweichendem Verhalten, zu keinerlei politischer Aktion fähig. Von Freundschaft oder Liebe zu schweigen.

bov (May 21, 03:53 pm) #


Ich schrieb ja, dass mein Misstrauen idiosynkratisch war. Ich habe mich geirrt. Ich irre mich des öfteren.

gHack (May 21, 04:12 pm) #


Es geht ja hier nicht um dich persönlich, Herr gHack.

Die Position, von der aus sich die Frage stellt, ob das ein Hoax ist oder nicht, ist ja wohl doch vorwiegend eine journalistische - journalistisch in dem Sinn, ob man dem Weblog jetzt als Quelle trauen will oder nicht, ob man darüber als Quelle der Wahrheit über den Krieg trauen möchte oder nicht. Lies mal Deine Postings hier durch: da geht es nur um "Quellen", um "gibt's den wirklich", um "über den berichten". Alles schwer journalistisch in diesem spezifischen Sinn.

Ich meine (jetzt nochmals), dass die Wahl dieser Art von journalistischen Perspektive bei diesem Weblog als Phänomen nicht besonders interessant ist, so wie, um das Beispiel nochmal zu bemühen, nicht besonders interessant ist, des im Zug mitreisenden Gesprächspartners Anekdoten mitzustenografieren und dann als Faktenbericht in die Zeitung zu bringen.

Um nochmal nach ganz oben zurückzukehren: dass das Weblog nicht "prickelnd" schien, hat, würde ich meinen, mit der an es gestellten Erwartung zu tun. Und da könnte man sich ja auch fragen, warum man diese Erwartung hat, bzw. warum man an ihr festhält, wenn man draufkommt, dass mit ihr nichts prickelt.

Mich würde auch mal ne Typologie des Hoaxes interessieren, nur so nebenbei.

katatonik (May 21, 05:34 pm) #


Typologie des Hoaxes?

bov (May 21, 06:12 pm) #


Ja, also. Ein "Hoax" ist ja ein Jux, ein Schabernack, eine Zeitungsente. Da könnte man dann verschiedene Typen unterscheiden: Wenn sich in einem Diskussionsforum ein Dreitonnenmann als Dolly Buster ausgibt, ist das ein Personenidentitätshoax. Wenn sich eine Guerilla-Organisation die Website von Microsoft zur Brust nimmt und in leicht verstellter Überdrehung gefälscht woanders hinstellt, ist das eine andere Art von Hoax. Und so weiter. Da hat sich doch bestimmt ein kluger Netz-Ethnologe schon was ausgedacht, oder?

katatonik (May 21, 06:25 pm) #


Über Hoaxes liesse sich bestimmt promovieren.

Ne, ich hab da vielleicht journalistische Vokabeln verwendet, aber ich bleibe dabei: Jeder Mensch, der noch alle Tassen im Schrank hat und vor dem Irak-Krieg auf das Blog von Salam Pax gestossen ist, wird sich gefragt haben, ob der Typ jetzt wirklich aus dem Irak bloggt oder nicht. Ich meine jetzt nicht Journalisten, sondern jeden. Und die Frage, ob der jetzt echt ist oder nicht ist verdammt interessant. Das ist einfach DIE Frage im Zusammenhang mit Salam Pax. Und die ist jetzt gelöst. Also kein Prickeln mehr.

gHack (May 21, 06:48 pm) #


Ja, vermutlich haben sich das viele gefragt, ich mich ja auch - geschenkt. Aber man kann sich ja, wenn man auf eine Frage keine befriedigende Antwort kriegt, fragen, ob die Frage wirklich interessant ist. Und man kann sich ja fragen, ob es zu dem, was ma kriegt, nicht vielleicht interessantere Fragen gibt.

katatonik (May 21, 08:10 pm) #


Hihi. Die Frage war ja genau deswegen interessant, weil es keine befriedigende Antwort darauf gegeben hat.

gHack (May 21, 08:16 pm) #


Hoax-Typologie: etwas entfernt Verwandtes hat, glaub ich, Rolf Brednich mal versucht. Das ist der, der als erster deutsche Urban Legends gesammelt hat ("Spinne in der Yucca-Palme" und solche Bücher).
Zu einem erfolgreichen Netz-Hoax gehört ja auch, dass viele ihn glauben und *freiwillig weiterverbreiten*. Wenn man die Faktoren, die das bewirken, mal rausarbeitet, da kann man bestimmt viel lernen ;->

bov (May 21, 08:43 pm) #


Ich bin jetzt erschöpft.

katatonik (May 21, 09:17 pm) #


In Gibsons "Pattern Recognition" gibt es ja diese Agentur, die Leute dafür bezahlt, dass sie in Kneipengesprächen die Produkte des Kunden positiv erwähnen. Würde aber nicht klappen, weil man das Feedback nicht messen kann. Und Marketingmanager lieben Feedback.

gHack (May 21, 10:12 pm) #


Das mit dem "Glaub ich nicht" kann ich auch bestätigen. Ich glaube gHack glaubt immer noch, dass ich keine Hühner habe. Ich erinner micht zumindest an sehr kritische Fragen, als ich in der Schweiz war ;-)

Meine Meinung: Man sollte weniger die "Quellensicherheit" der etablierten Medien für Weblogs fordern, sondern die Skepsis der Weblogs auf die professionellen Medien ausdehnen.

Ich lese ehrlich gesagt in den Medien weitaus mehr zweifelhafte Sachen, als in den Weblogs. Der Scharrn-Text aus Ottawa zu Salam Pax ist nur ein Beispiel.

bov: Spinne in der Yucca-Palme, Spinne in der Yucca-Palma, ich höre immer nur im Metadiskurs von dieser Geschichte! Die Geschichte zu diesem Diskurs gibts doch gar nicht, oder? Das ist doch wahrscheinlich der Gag dran.

Achja, Pattern Recognition, lohnt sich das zu lesen?

KerLeone (May 25, 04:53 pm) #


"Spinne in der Yucca-Palme": Es ist der Titel des ersten einer ganzen Reihe von Büchern mit gesammelten Urban Legends (Hg. Rolf Wilhelm Brednich, Prof. in Göttingen, Becksche Reihe); und in dem Buch Geschichte Nr. 70.

Jemand kauft eine Yucca-Palme, die macht beim Gießen komische Geräusche. Stellt sich raus, dass im Topf wahlweise eine Familie Taranteln oder ein Rudel Skorpione sich eingenistet hat.

Der Buchtitel hat in D. der ganzen Gattung dieser Hörensagen-Geschichten den Namen gegeben. "Urban Legends" hab ich erst viel später gehört.

Um den Bogen zurückzuschlagen: Die Weiterverbreitung eines erfolgreichen Hoaxes (klass. Netzbeispiel: Viruswarnung oder Kettenbrief) funktioniert, auf der sangwamal "psychosozialen Ebene" ganz ähnlich wie das Weitererzählen dieser Urban Legends.

bov (May 25, 05:50 pm) #

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