Ein ganzes Leben lang überleben?
Etwa 40 Jahre nach seiner Befreiung aus einem NS-Konzentrationslager schreibt Werner Weinberg:
“Gleich nach dem Krieg waren wir ‘liberated prisoners’; in den folgenden Jahren waren wir in dem Ausdruck eingeschlossen ‘DPs’ oder ‘displaced persons’ ...; in den Vereinigten Staaten wurden wir manchmal großzügig ‘new Americans’ genannt. Eine Zeitlang … schien (es), daß wir als Gruppe vielleicht namenlos bleiben würden. Aber eines Tages bemerkte ich, daß ich nun als ‘Überlebender’ neu klassifiziert war … man überlebt ein Erdbeben, einen Schiffsuntergang, aber mit der Zeit kehrt man zur früheren Identität zurück, wenn vielleicht auch Wunden von dem Unglück zurückgeblieben sind. Dagegen ist das Holocaust-Überleben zeitlich unbegrenzt … (Ich bin) für den Rest meines physischen Lebens klassifiziert. Ich bin zur Besonderheit deklariert, weil ich im Holocaust war, während ich mich selber als einen Menschen sehe, der vorher gelebt hat und der nachher lebt. Es ist wahr, ich habe mich von Grund auf geändert, aber ich erinnere mich nicht, daß ich einem Club beigetreten wäre. Abgesondert, das sind die Nicht-Überlebenden. Es vergrößert den Schaden, den ich erlitten habe, wenn man mich als Überlebenden klassifiziert; es ist, als trüge man einen kleinen neuen Gelben Stern … Im besten Fall ist es eine einengende Bezeichnung, die einen als Museumsstück, als eine Abnormalität, ein Gespenst erschienen läßt gegenüber anderen und sich selber.”
Werner Weinbergs 1985 im englischen Original erschienenes “Self-Portrait of a Holocaust Survivor” scheint vergriffen zu sein, so auch die deutsche Übersetzung (“Wunden, die nicht heilen dürfen.”) Werner Weinberg war tätig als Herausgeber des “Lexikons zum religiösen Wortschatz und Brauchtum der deutschen Juden.” (Stuttgart 1994), bearbeitete die Schriften von Moses Mendelssohn für die Jubiläums-Gesamtausgabe und publizierte einige Werke (auf Englisch) über Orthographie und Transliteration des Hebräischen. Ob er noch lebt, weiß ich leider nicht.