Szenen. Szenen. Szenen.
- Eine Konfrontation von Friedensdemonstranten und Nationalisten in Tōkyō. Eine Frau verliest ein Statement: Krieg wäre unmenschliches Töten. Getötet- und Getötetwerden, das wäre der Krieg. Es sei Aufgabe der Frauen und Mütter, dafür zu sorgen, dass Männer nicht in Kriege ziehen. Ein junger Mann rudert aufgebracht mit den Armen und schreit: “Verräter, ihr Verräter Japans!” Nationalisten, Revisionisten, Rechte, wie immer man sie bezeichnet, sie ziehen mit Transparenten mitten durch die Friedensdemonstranten durch und schreien. Es kommt zu Handgemenge. Die Polizei ist da. Ein Polizist schreit: “Rechte! Macht bitte Schluß mit der Gewalt!”
- Eine kühle Frauenstimme erzählt die Geschichte des Krieges: vom sinojapanischen Krieg bis hin zum pazifischen Krieg, vom “Manchurian Incident” in 1931 bis zur Kampagne der “Three Alls: Kill all, Burn all, Loot all” in 1940. Eingeblendet wird eine konturierte Landkarte Chinas, auf der die jeweils relevanten Abschnitte violett unterlegt werden.
- Historische Aufnahmen zeigen Soldaten, Panzer, Flugzeuge. Schwarz auf weiß, in grobem Korn.
- Die Frauenstimme spricht, es erscheinen eingeblendet historische Zeitungsschlagzeilen und –artikel. Kleine runde Fotos von Hitler, Mussolini, Chiang Kai-Shek, dem japanischen Kriegspremierminister Tōjō Hideki in senkrechten Zeilen aus Schriftzeichen. Wenn die Frauenstimme einen wichtigen Satz sagt, der sich mit dem Inhalt der Zeitungstexte deckt, wird die entsprechende Stelle des Textes hell hervorgehoben.
- Synthesizermusik schwillt an und ab. Man kann sie berechnen und voraussehen nach einiger Zeit.
- Alte Männer sitzen. In Rollstühlen, vor wunderschönen alten japanischen Tempeln, auf abgewetzten Sofas vor schiefen Fensterrahmen, vor Tischen mit halb ausgetrunkenen Biergläsern, in ihren Büros vor Stapeln von Ordnern, in ihren Ordinationen vor Stapeln mit Krankenakten. Ihre Familien und Frauen sieht man nicht. Einmal nur schwenkt die Kamera von einem alten Mann in seinem Wohnzimmer zur Tür. Etwas versteckt dort steht seine Frau. Sie hört zu. Ihr Gesicht sieht man nicht. Der Kopf ist gebeugt.
- Die alten Männer erzählen. Sie waren Soldaten oder Ärzte der kaiserlich-japanischen Armee in China. Sie waren bei der berüchtigten Einheit 731 und vollzogen Vivisektionen. Sie übten chirurgische Eingriffe, die man im Krieg kennen muß, an nicht betäubten Chinesen. Sie waren junge Männer, die von älteren Vorgesetzten schikaniert und gedemütigt wurden. Sie erhielten Befehle. Sie zogen durch China und brannten Dörfer nieder und auch deren Bewohner.
- Die Untertitel sind auf Englisch.
- Als er in ein Dorf kam, das niedergebrannt zu werden hatte, betrat ein Soldat eine Hütte. Eine junge Frau lag im Bett. Sie hatte gerade erst ein Baby geboren und war sehr geschwächt. Der junge Mann fühlte etwas, Mitgefühl, Besorgnis. Aber plötzlich, so der alte Mann, der der junge Mann damals war, wäre er wütend geworden: Wie konnte es dieses Tier, dieser Affe, der da vor ihm lag, wagen, Kinder in die Welt zu setzen, die dem japanischen Reich schaden würden? Er stürmte nach draußen und setzte die Hütte in Brand. Er hörte noch, wie Frau und Baby schrieen.
- Junge chinesische Männer waren an Pfähle gebunden. Die Kommandeure befahlen den japanischen jungen Männern, sie umzubringen, mit Bayonetten. Er hatte Schwierigkeiten dabei, sagt ein alter Mann, der damals junger Mann mit Bayonett war. Da stürzt er los auf jemanden, der ihn um Hilfe anfleht oder der ihn, in Erwartung seines Todes, einfach nur stumm ansieht. Der wehrlos ist. Ich meine: der hatte keine Waffe, der konnte sich nicht verteidigen, der war doch kein Feind. Das war das schlimmste: auf einen zustoßen, der da nur so steht und dich anschaut und sich nicht wehren kann. Oft traf er daneben, traf in den Bauch, wo er doch angehalten war, in das Herz zu stechen. Das sei aber nicht leicht gewesen, denn da wären ja die Rippen. Der Kommandeur hätte ihm dann einen Trick gezeigt. Man müsse das Bayonett drehen, während man nach vor stürme, sodass man mit der Klinge flach zwischen den Rippen durchstoßen könne. Allmählich hätte er den Trick gelernt.
- We were ordered to torture them. They would quickly say “I’ll confess”. But they had nothing to confess. They were ordinary people who knew nothing. They knew nothing. So we had to torture them further.
- das Lernen. Das Zurückkehren von Erinnerungen an Immanuel Kant oder Worte der eigenen Mutter beim Abschied. I considered myself a humanist, I had read the “Critique of Pure Reason”. My mother had told me, do whatever needs to be done as a soldier, but never kill women or children. And I had just done that. Aber man hatte sich verabschiedet, bei Abschied aus Japan mit einer Formel gesagt, man würde nicht zurückkehren, man sei von nun an ein anderer. Man hatte Befehle, man hatte Vorgesetzte. But then I told myself, I had had an order. It was the commander’s fault.
- See a young woman, can’t rape her. See a man, can’t kill him. We didn’t want to be seen incapable. We had to prove ourselves to the others. So we raped, and we killed.
- Man mußte so tun, als ob man nicht vergewaltigte, denn es war offiziell verboten. Man tat so. Aber alle taten es und alle wußten es. Es hätte sich schlecht in den Berichten der Kommandeure gemacht, also sahen sie darüber hinweg. Also gab es keine Berichte.
- Nach dem Krieg kamen 570 000 japanischen Soldaten nach Rußland, in Lager. Etliche wurden von dort direkt repatriiert. 1100 wurden der chinesischen Regierung übergeben. Sie kamen in Umerziehungslager. Dort wurden sie freundlich behandelt, sagt die Frauenstimme. Historische Aufnahmen zeigen junge Männer beim Umerziehungslagervolleyball, beim Umerziehungslageressen, beim Umerziehungslagerherumstehen in entspannter Atmosphäre. Es gab Prozesse. Gebeugte Männer erzählen, bemüht, kein Detail und keinen Toten auszulassen. Ich habe 1019 Menschen umgebracht, ich habe 240 Menschen ermordet. Aufgebrachte chinesische Überlebende stehen neben den gebeugt Beichtenden, mit nackten Oberkörpern zeigen sie ihre Wunden. Der japanische Soldat krümmt sich in sich zusammen. Man sieht, wie Tränen und Rotz von seinem Gesicht auf den Boden tropfen. Der Chinese, den er gefoltert hatte, schreit und fährt mit den Armen wild durch die Luft.
- Eine Ausstellung und Diskussionsveranstaltung über den Krieg. Ein junges Mädchen fragt seinen Vater “und, haben die Chinesen gegenüber den Japanern auch sowas gemacht?” “Nein”, sagt der Vater, “die Chinesen haben nichts gemacht”.
- Ein alter Mann sitzt vor einem Auditorium vorwiegend junger Menschen. Er erzählt, was er im Krieg getan hat. Er erzählt, wie es war, 1956 nach einigen Jahren in chinesischen Gefängnissen nach Japan repatriiert zu werden. Damals war bereits offiziell das Ende der Nachkriegszeit verkündet worden. Es ging um Wirtschaftswachstum und Anstrengung nach vorne. Er sei in sein Dorf zurückgekehrt. Er hätte vielleicht sagen sollen, dank Japans sei er nun wieder zu Hause. Er aber sagte, dank der Chinesen sei er nun wieder da, dank derselben Menschen, denen er so viel angetan hatte. So verdächtigte man ihn, chinesischer Agent zu sein. Er wollte reden, aber niemand wollte etwas hören. Niemand. Jahrelang konnte er keinen Job bekommen. Keinen. I ended up working as a milkman. But people wouldn’t drink the milk I delivered.
“Japanese Devils” lief drei Monate lang im “Image Forum” in Tōkyō. Die Kinobetreiber schlossen eine teure Leinwandversicherung ab, da Rechte in Japan bei solchen Filmen immer wieder teure Kinoleinwände zerschneiden. Kritiker verglichen “Japanese Devils” mit Claude Lanzmanns “Shoah” und hielten ihn, gerade wegen der im Stil von TV-Dokumentationen gehaltenen Rahmenerzählung des Krieges mit historischen Aufnahmen und Zeitungsartikelbildern für schwach und schlecht. Vermessen, der Vergleich. “Japanese Devils” muß und will seinem Publikum erst erklären, was wann geschah im Krieg. “Japanese Devils” will in einem Land gezeigt werden, das nichts weiß; in einer Gesellschaft, die nie zu Selbstverständlichkeiten im Umgang mit dem Krieg gelangte.
n im Umgang mit dem Krieg gelangte und i () #
bloß nicht aufhören mitm schreiben, sonst wirst du noch von rachsüchtigen socken verfolgt.
den murakami hab ich im regal, mir damals in japan noch gekauft und auf japanisch und weil das für mich doch etwas langwierig zu lesen ist, bis heute noch nicht gelesen. seine recherchen sind, glaube ich, in den roman "mr. aufziehvogel" eingeflossen. das mit den parallelen kann ich mir gut vorstellen, allerdings frage ich mich, wie weit die gehen. die soldatische gleichgültigkeit hatte ganz wesentlich damit zu tun, dass man die feinde nicht mehr als menschlich betrachtete, sondern als tiere oder dinge gar. hat soldatische gleichgültigkeit wohl ganz allgemein. zeigt sich das auch bei den sektenführern mit dieser deutlichkeit?
katatonik (May 23, 01:22 pm) #
In meiner deutschen Ausgabe des Buchs steht, dass die japanische Version auf zwei Teile aufgeteilt ist. Er hat erst den Teil mit den Opfer-Interviews geschrieben und hat dann noch einen Teil mit Sektenmitglieder-Interviews nachgereicht, weil ihn die internen Mechanismen der Sekte zunehmend interessiert haben. Murakami ging in seiner Analyse der Gründe für das Massaker eher auf den der japanischen Gesellschaft wohl inhärenten Mechanismus der Delegation von Verantwortung ein. Hier sah er auch die Parallele zum Militär. Ausserdem wurde innerhalb der Sekte eine technokratische Oberschicht mit "wir-wissen-viel-besser-was-für-euch-gut-ist-als-ihr-selbst"-Gestus herausgebildet, welche wiederum die Verantwortung an den Guru Asahara deligierte. Der wiederum berief sich auf den üblichen transzendenten Schwurbel. Die Menschen wurden nicht verdinglicht, sondern das Leben allgemein so gering geschätzt, dass es einer Verdinglichung gar nicht mehr bedurfte. Der gemeinsame Nenner war, dass die Leute die Verantwortung für das eigene komplizierte und/oder öde Leben an eine kompetentere Instanz abgeben wollten. Waren sie erstmal so weit, dann konnte der Guru ihnen alles befehlen.
gHack (May 23, 02:04 pm) #
danke. die parallele in sachen verantwortungsdelegation finde ich überzeugend.
katatonik (May 23, 02:16 pm) #
heftige geschichte, war mir noch nicht bekannt. eigenartig aber die schlußannahme, dass das abhalten von fussballweltmeisterschaften in bestimmten regionen wahrheiten ans licht bringen würde, weil die medien, die über fußball berichten, über allfällige massaker, dies an den spielorten gab, berichten müßten. und dass durch diese interantionalen berichte vor ort irgendwie wahrheit und wahrhaftigkeit eintreten würden.
katatonik (May 23, 03:55 pm) #
Ich wollte eigentlich nichts mehr schreiben, aber dazu fällt mir was ein: Kennst Du "Untergrundkrieg" von Haruki Murakami? Das ist eine Dokumentation über den Sarin-Anschlag in der Tokioter U-Bahn. Er lässt auch immer wieder einfliessen, dass er Recherchen zu japanischen Kriegsverbrechen in der Mandschurei/Mandschuko gemacht hat und dass ihm Parallelen in der brutalen Gleichgültigkeit der Sektenführer mit denen japanischer Offiziere aufgefallen seien.
gHack (May 24, 12:54 am) #