“nicht nur absolut schön, sondern beunruhigend abgründig …”
sei, so Ira Mazzoni unlängst in der Süddeutschen Zeitung, des japanischen Künstlers Noriyuki Haraguchis Ölwanneninstallation, derzeit – wohl in einer dem Bild rechts ähnlichen Form – zu sehen in der Städtischen Galerie Lenbachhaus zu München.
Japanische Kunst regt deutschsprachige Journalisten meist zu zweierlei an: zum heftigen Wühlen im Schatzkämmerchen metaphysischer Begeisterungsfähigkeit (“alles verschlingende, luftabschließende Tiefe ist das Wesen des Objekts”) sowie zur Mobilisierung sämtlicher Japanklischees aus dem Erwachsenenbildungsbereich. Mal als Metapher (“die Arbeiten von Haraguchi sind so präzise und konzentriert wie ein Haiku”), mal als verdeutlichendes Kontrastbild (“nicht abweisende Oberfläche, nicht kostbarer Lackboden eines Zentempels”), mal als Grundlage für übergreifende Thesenbildung (“Kunst ist nicht das Produkt, sondern das Ritual der Ausführung, das bestimmten Gesetzmäßigkeiten zu folgen hat – so wie die wellenförmigen Rillen aus Flußkieseln im Zen-Garten regelmäßig nach Plan gezogen werden”), mal als Bild für den Ausstellungsbesuch selbst (“So wird der Gang durch die Ausstellung zu einer Meditationsübung”). [Zitate alle aus Ira Mazzonis Artikel.]
Japanische Künstler sind vorerst einmal deswegen der Tradition verhaftet, weil die sie beschreibende Phantasie europäischer Journalisten zu Japan nichts anderes zu bieten hat als Ikonen japanischer Tradition; sie bleiben der Tradition verhaftet, weil der Kreislauf sich selbst bestätigender Bilder in der europäischen Rezeption eben ein solcher ist: Da werden quintessenzielle Eigenheiten japanischer Kultur ins Treffen geführt, um disparate Kunstwerke begreiflich und verständlich zu machen – gerechtfertigt mit dem Stehsatz, man müsse dem laienhaften Medienpublikum natürlich irgendeinen bekannten Interpretationsrahmen bieten -, die dann ihrerseits als Symbole für das quintessenziell Japanische gelten. So trifft sich der avancierte europäische Journalist mit seinem eine japanische Nationalkultur beschwärmenden oder ihren Untergang beklagenden japanischen Kollegen, vermutlich irgendwo in einer Sushibar, wo der Japaner anhebt “you know, we in Japan …” und der Europäer ergriffen lauschend an seinen Lippen hängt.
Tja, in Japan gilt Noriyuki Haraguchi als einer der Hauptvertreter der so genannten “Mono-ha” (“Sachen-Schule”). Die “Mono-ha”-Künstler, als solche aktiv seit Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre, versuchen im wesentlichen, natürliche Materialien wie Holz, Stein oder Öl eben nicht als dem Gestaltungswillen untergeordnete Mittel zu begreifen, sondern als Ausdrucksträger an sich zu behandeln und somit in ihrer Materialität in den Vordergrund zu rücken. So läßt sich der japanische Künstler eben auch kontextualisieren, und da hat er dann plötzlich mehr mit Arte Povera und Minimalismus zu tun als mit Haikus und Zen. Schau einer an.