Sieben Sätze zum Lächeln
“Ich möchte Ihnen etwas vielleicht recht Schockierendes sagen. Ich denke hier an die Kategorie des keep smiling, des obligaten Lächelns. Man wird in Amerika immer wieder finden, dass jedes Ladenmädchen, wenn es Sie bedient, entzückend lächelt. Sie werden davon zunächst abgestoßen sein, denn Sie werden fühlen, dass dieses Lächeln gar nicht das Lächeln dieses Individuums ist, sondern dass es dazu nicht nur von seinem Chef angehalten wird, sondern dass es diese Art zu lächeln in einer sogenannten Charm-School, also in einer Schule der Charmantheit, gelernt hat. Sie werden das dem Lächeln auch noch irgendwie ansehen, vor allem wenn es nicht gelingt.Aber ich glaube, wir sollen es uns auch damit nicht zu leicht machen. Es ist wahrscheinlich so, dass ein Mensch, der unter äußerem Zwang auf diese Weise zur Freundlichkeit gebracht wird, dann doch eher auch zu einer gewissen Humanität in seinem Verhältnis zu den anderen Menschen kommt als jemand, der nur, um mit sich selbst identisch zu sein – als ob diese Identität mit sich selbst immer wünschbar wäre – ein bösartiges, vermuffeltes Gesicht macht und einem von vornherein bedeutet, dass der andere Mensch für ihn eigentlich nicht existent sei und in seine Innerlichkeit, die dann vielfach gar nicht existiert, nicht hereinzusehen habe.”
Theodor Wiesengrund Adorno, Vortrag mit dem Titel “Kultur und Culture”, ab 1957 mehrmals gehalten, nie selbstständig publiziert, beim Abdruck in einer Universitäts-Festschrift mit des Autors Warnung versehen, er hätte hier “fatal allgemein formuliert … Er kann also für das hier Gedruckte die Verantwortung nicht übernehmen”.
Zitiert nach auszugsweiser Veröffentlichung im Magazin der Süddeutschen Zeitung, 29.8.2003.