Nova
Unlängst, oder nein, schon vor einigen Monaten, fiel mir auf, dass sich in unmittelbarer Nähe der U3-Station Ottakring eine Nachhilfeschule niedergelassen hatte, die mit großen Transparenten in ihren Fenstern warb und wahrscheinlich noch wirbt. Man konnte den U3- und S-Bahnhof nicht in Richtung Norden verlassen, ohne diese Transparente zu sehen.
In japanischen Städten gibt es wahrscheinlich nicht so viele U- und S-Bahnhöfe, bei deren Verlassen man kein Schild von Nova (Nova America; hier Nova Japan) sieht, einer Sprachschule, oder eher Konversationsschule, für Englisch und vielleicht auch andere Sprachen. Die gelben Lettern auf blauem Grund, die flachen, blanken Neubaufassaden, davor immer Menschenmengen, die aus Bahnhöfen oder in sie strömen.
Jede japanische Großstadt, wo immer man da auch die untere Schwelle ansetzt, hat ihre Gaijin-Subkultur, oder -Subkulturen, je nach Größe: Nachtlokale, meist irgendwo in den städtischen Vergnügungsvierteln, in denen Sprachlehrer, Studenten und andere, meist aus dem westlichen, oft aus dem englischsprachigen Ausland, ihre Nacharbeitsbiere oder Nachtbiere nehmen. Oft pubartige Atmosphäre, manchmal auch nicht.
Die Nova-Lehrer stachen in der Menge immer raus: pausbäckige britische Girlies, knapp zurechtgestutzte Boys. Jung, laut, ganz fremd, voll naiv, und am schlechtesten bezahlt in der Hierarchie der Englisch-Sprachschulen in Japan, sogar schlechter als ihre Pendants in irgendwelchen Mini-Sprachschulen, die meist weibliche japanische Drachen mit strengem Regime für die japanische Hausfrauenschülerschaft leiteten.
Sie hatten auch schlechte Arbeitsbedingungen und lebten in einer völlig irren Welt, mit langen Unterrichtszeiten, in denen sie inane chatter mit Japanern und Japanerinnen führen mussten, animatorisch sein, wie mit Kleinkindern reden. Sie durften nicht japanisch sprechen. Manche von ihnen bemühten sich trotzdem, die Sprache zu lernen, kamen aber nicht weit, schon allein aus Zeitgründen.
Eine ganzer Menschenschlag, so lebend wie Kinderzeichnungen, sprechend in Namen für Dinge und Menschen, in Eigenschaftsaufklebewörtern für Essen, Trinken und anderes Konensfähiges (nice, kawaii, delicious, sugoi). Die meisten davon waren jung und in jeder Hinsicht, in der man sie in Japan wahrnehmen konnte, unerfahren – keine Lehrerausbildung, oft Studenten, die nach Japan kamen, um ihre Studentenkredite abzuzahlen.
Für uns Abgeklärtere, Studenten in Japan mit natürlich ehrenwerteren wissenschaftlichen Interessen, oder Englischlehrer mit ganz anderer Lebensperspektive, nun ja, für uns war “Nova” eigentlich ein Schimpfwort. Du sitzt um Sieben am Abend in der Bar und es kommt ein Schwung junger bleicher Plauderanten in Businesskostümen rein – du nickst deinem Nachbarn über einem Jameson-mizuwari zu und sagst kokett resignativ “tja, Nova”, dich gemeinschaftlich deinem Schicksal erhöhten Alkoholkonsums angesichts dieser sozialen Belästigung ergebend.
Nova war auch ein Bubble-Überbleibsel, ein Rest der japanischen Boomblase der 1980er, denke ich: darauf gebaut, dass man im Westen in Japan schnell viel Geld machen wollte und zu können glaubte, und dass man umgekehrt in Japan ein bisserl Englischlernen für schicken Zeitvertreib hielt.
War – so wie es aussieht, ist Nova pleite. Schulden, dazu noch arbeitsrechtlich bedenkliche Behandlung von Angestellten.
Was in dem Times-Artikel fehlt, ist die Ursache, warum Nova pleite ist:
Der Untergang von Nova begann nämlich, als bekannt wurde, dass die Firma Rückforderungen von Kunden nicht auszahlte.
“Nova Corp., the nation’s largest English-language school chain, was ordered by the government Wednesday to partially suspend business for six months for lying to customers about its services.” (14. Juni 2007)
http://search.japantimes.co.jp/cgi-bin/nn20070614a1.html