Inner Worlds, Outer Worlds
Seit der ersten Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika antworte ich auf die Frage, wie es mir geht, gewohnheitsmäßig mit, also mir persönlich prächtig, aber, weltlagenmäßig wäre ich denn doch eher besorgt, empört, bekümmert, je nachdem.
Doch, nein, wenn ich es genau bedenke, kam diese Form anders auf: Als ich nach einer recht schwierigen Zeit meines Lebens mit Pendelei zwischen Wien und Baden-Württemberg, aus einer Arbeitsumgebung, die mir nicht entsprach, wieder ganz nach Wien ziehen konnte, allmählich hier gemeinsam mit G. für uns neue Lebensbedingungen schaffen, da kam das Lebensgefühl “prächtig” auf, das ein “prächtig” trotz widriger Umgebungsumstände war, zu denen auch die Präsidentschaft Trumps zählte. Auch die widrigen Umstände skalieren, von global über regional nach lokal. Es war jedenfalls nicht so, dass die “prächtig-aber”-Dialektik durch eine Verschlechterung des Äußeren zustande kam, sondern durch eine Verbesserung der unmittelbaren Lebensumgebung, wie sie sich anfühlte, lebte.
Es ist gelegentlich therapeutisch, den Form und Tonfall bei geänderter Lage, Stimmungslage, Gefühlslage, gerade nicht zu verändern. Es hilft, Formen zu behalten, wenn sich die Inhalte, Absichten, Wünsche, Empfindungen ändern. Eine dann entstehende Spannung kann nicht beliebig weit aufrechterhalten werden, freilich, die Dinge können zerreißen.
Vor einigen Monaten saß ich an einem Tisch in einem Machtzentrum der Republik. Mir gegenüber der Staatspräsident Indiens, neben ihm der Bundeskanzler, meiner Sicht durch einen Blumenstrauß entzogen. Weitere Herren am Tisch, die Wissenschaft, Wirtschaft, Industrie und Beamtenschaft repräsentierten. Eine Medizinerin, zur ESA-Ersatzastronautin auserkoren, und ich, wir waren die Frauen am Tisch. Der Smalltalk mit den Herren links und rechts neben mir führte bald dazu, dass die Herren, die sich natürlich alle kannten, sich über mich hinweg unterhielten, man kennt das. Das offizielle Österreich zeigt sich mir gesprächsmanierenmäßig regelmäßig stark beeinträchtigt, zwischen potschert und gibtsdenndes.
Man hielt sich mit innenpolitischen Äußerungen nicht zurück, die eigentlich nicht zum Anlass passten, die der Anlass keineswegs evozieren hätte müssen. Man hätte die Gosch’n halten können, wie so oft in diesem Land, über das Wetter reden, indische Kulturschätze, Reisen, es gibt ja viele unverfängliche Gesprächsthemen. Es ging aber um, nein: nicht um, sondern gegen die Sozialdemokraten, vor allem den aktuellen Parteichef, und es war nicht einmal nur unfreundlich, was da gesagt wurde, es war nachgerade beleidigend.
Noch evident beleidigender als die anerkennenden Worte über den indischen Staatspräsidenten und Indien, die sich anhörten, als wäre man hier überrascht, dass man dort Schuhe trägt oder sich die Nase putzt oder bis zehn zählen kann. So ein Beleidigtsein darüber, dass es die dort wagen können, erfindungsreicher, technisch versierter und besser organisiert zu sein. Noch evident selbstentlarvender als die anerkennenden Worte über die gute Vorbereitung der indischen Delegation, die offenbar professionelle Dossiers über ihre österreichischen Gesprächspartner*innen erstellt hatte und bestens informiert war, eine Eigenschaft, die die österreichische Seite nicht an sich würdigen konnte.
Ich wollte nicht unhöflich sein und hörte mit einer Miene zu, die sich steinern anfühlte, während ich die vegetarische Menüoption verzehrte, prächtige Karfiolschnitzel. Die Herren links und rechts hatten erleichtert kundgetan, wie froh sie wären, dass es auch Fleisch gäbe, die Protokollstelle hätte ja ursprünglich gemeint, aus diplomatischer Höflichkeit dem indischen Gast gegenüber nur Gemüse servieren zu wollen, aber wo käme man denn da hin. Da freut sich das krachende Kalbsschnitzel.
Von Buddenbohm rüber gehüpft und beschlossen zu blieben. Meine dienstliche China-Reise nach Shanghai, Guangzhou und Beijung ist zwar nun schon acht Jahre her, aber Österreich wird (nach einem Studienjahr in Wien vor Jahrzehnten) doch jedes Jahr besucht. Da lese ich hier gerne mit ….