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- 29 07 2001 - 15:26 - katatonik

<A HREF="http://derstandard.at/standard.asp?channel=KULTUR&ressort=LITERATUR&id=660616">Diesen Text</A>

las ich schon vor ein paar Wochen dort, und er geht mir immer noch auf die Nerven: Mit betulicher Regelmäßigkeit muß irgendwann im Sommer einer auftreten, den Tourismus als Terror und Übel der Welt beklagen und ihm gegenüber Langsamkeit und bedachtsames Reisen preisen – also die Reiseform des betuchten Bourgeois, der frei über sein Zeitbudget verfügt und es sich leisten kann, drei Wochen toskanische Bäume anzustarren, zum Ideal freigeistiger und ehrbarer Beschäftigung mit dem “Anderen” erheben, dergegenüber der zeitlich verknappte Aufenthalt von denen, die nur mal kurz zwei Wochen Urlaub kriegen und ihn dann lieber organisieren lassen als auch noch die Hälfte der zwei Wochen fürs Organisieren zu verwenden, als kulturlose, kolonialistische und imperialistische Barbarei abstinkt.
Ja, preist sie nur, die Flaneure, die Reisenden, die Weltkundigen, die uns nach intensivst erlebter Reise mit ihren schwurbeligen Betrachtungen zum Geist der Geishas und der Knorrigkeit der Kabylen erfreuen, garniert mit ein paar spritzigen Anekdoten über ihre erotischen Abenteuer mit den Natives (sind übrigens durchwegs Männer, die Flaneure dieser Sorte), mit jeder Zeile beweisend, was für einen unglaublichen Sinn fürs “Schöne” sie haben. Tolle Kerle, diese Reisenden, echt. Mann, ich könnte nie so über die Nackenkurven der Japanerinnen schreiben. Geil, was.
Verdammt die Medien, die Technologie, die ja jetzt leider auch den letzten Pleb nach Goa bringen und die authentischen Wilden durch unsensible Trinkgeldverabreichung verderben. Besteht auf eurem Anderssein von diesen barbarischen Massentouristen, indem ihr auf Nahrungssuche stundenlang durch Altstädte schlendert, um nur JA nicht in einem dieser Touristenrestaurants gesehen zu werden. Prügelt den Konsumismus und glaubt, bloß deswegen, weil ihr ihn prügelt, würde euere Weinsüffelei und Authentische-Speisen-der-Welt-Verzehrerei in einem geschützten Raum gaaaaaanz außerhalb stattfinden, einem Raum, in dem das menschlich Edle sich zu humanistischen Höhen erhebt und von dem sichs gut auf geschundene Lohnsklaven herabblicken läßt. Aber macht das bitte an dem einzigen Ort, von dem ich tatsächlich glaube, dass er eine Welt für sich ist und auch bleiben soll: dort, wo der Pfeffer wächst.

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