Auch noch bemerkenswert
“Das ist es wohl, was man eine Ironie der Geschichte nennt. Nur ein paar Tage nachdem FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher Martin Walser mit großem Trara die Tür zum Feuilleton zugeknallt hat, wird bekannt, dass die FAZ Jörg Haider als Referenten in ihr Berliner Domizil lädt. Die Ironie? Nun, wenn man sich so lautstark über die angeblich antisemitischen Auslassungen Walsers alteriert, dann sollte man im Sinn einer unverkrümmten Blattmoral auch den einschlägigen Dreck wahrnehmen, den Haider an seinem Stecken hat. Die Probebohrungen, mit denen er auf Wiener Terrain erkundet hat, wie tief man in der Politik gehen kann, sind noch nicht vergessen.
Es hätte gar nicht des Zusammentreffens mit Walser bedurft, um diese Einladung als Unding erscheinen zu lassen. Auch Geschmack ist ja ein Kriterium. So wie man ein Galadiner nicht mit einem Individuum, das sich ständig in die Finger schnäuzt, aufputzen wird, ist ein Politiker, der seine Kollegen als Koffer, Ganoven und Westentaschennapoleons bezeichnet, nicht für jede Veranstaltung geeignet. Dass Haider bei einem geselligen Wettrülpsen unter Biertischbrüdern für Stimmung sorgt – ja wieso denn nicht? Aber muss es gleich ein Europaforum sein?
Vollends peinlich wird die Frankfurter Farce durch die Begründung, mit der die FAZ Haider letztlich ausgeladen hat: Haider habe sich “auf unakzeptable Weise” über Joschka Fischer geäußert. Ist die FAZ senil oder nur uninformiert, dass Haider Fischer wahrlich nicht zum ersten Mal “auf unakzeptable Weise” anrüpelt? Ebenso peinlich ist die Retourkutsche aus Kärnten, wo man eine “Attacke auf die Meinungsfreiheit” wittert. Da liegt eine Verwechslung vor. Das Recht, seine kostbaren Meinungen zu äußern, bleibt Haider unbenommen. Das Recht, auf der Einladungsliste des FAZ-Hauses zu verbleiben, hat hingegen noch keinen verfassungsgesetzlichen Rang und ist weder vor deutschen noch österreichischen Gerichten einklagbar.”
Christoph Winder im Standard.