Zoologisch-botanisch, dubiös und dynastisch
“In Gratz, wo ich mich einen Tag aufhielt, fand ich treffliches Unterkommen im Hotel zum “Elephanten”. Keinen passenderen Namen konnte der erste Gasthof führen, in dem ich auf einer Reise nach Indien übernachtete. Ist doch der Elephant nicht allein an sich eines der wichtigsten und interessantesten Thiere von Indien, sondern speciell das typische Wappenthier von Ceylon. Da nun schon der “Elephant” von Gratz mich so freundlich aufnahm und bewirthete, nahm ich das als gutes Omen für die bevorstehende Bekanntschaft mit dem indischen Elephanten, die ich bald sowohl in gezähmtem als in wildem Zustande zu machen hoffte!
Bei dieser Gelegenheit sei mir zu Nutz und Frommen wanderlustiger Genossen, die weniger auf zahlreiche schwarzbefrackte Kellner, als auf gute Verpflegung in den Gasthöfen rechnen, eine beiläufige Bemerkung einzuflechten gestattet. Auf meinen vieljährigen Wanderungen, auf denen ich in den verschiedenartigsten Hotels und Herbergen aller Classen zu übernachten Gelegenheit hatte, glaube ich beobachtet zu haben, daß man auf die Beschaffenheit dieser gemeinnützigcn Institute bis zu einem gewissen Grade schon aus ihrem Namen und Schilde schließen kann.
Ich theile dieselben demnach in 3 Classen, in zoologisch-botanische, dubiöse und dynastische Gasthäuser. Weitaus am besten fand ich durchschnittlich die zoologisch-botanischen Herbergen, als da sind: “Goldener Löwe, Schwarzer Bär, Weißes Roß, Rother Ochse, Silberner Schwan, Blauer Karpfen, Grüner Baum, Goldene Weintraube” u. s. w. Weniger sicher ist auf gute und billige Verpflegung in jenen Gasthöfen zu rechnen, welche vorher als dubiöse bezeichnet wurden und welche weder zur ersten noch zur dritten Gruppe gehören; sie führen sehr verschiedenartige Namen (oft den der Besitzer selbst) und sind zu heterogener Qualität, als daß sich bestimmte allgemeine Schlüsse für ihre Beurtheilung ergeben könnten.
Dagegen habe ich meistens nur trübe Erfahrungen (insbesondere über das umgekehrte Verhältniß der schlechten Verpflegung zu der theuren Rechnung!) in denjenigen Hôtels gemacht, die vorher als dynastische bezeichnet wurden, als da sind: “Kaiser von Rußland, König von Spanien, Kurfürst von Hessen, Prinz Carl” u. s. w. Natürlich soll mit dieser Classification kein allgemein gültiges Schema gegeben sein; aber im Ganzen wird, glaube ich, der kritische und anspruchslose Wanderer (besonders in jüngeren Jahren!) obige Eintheilung bestätigt finden; und namentlich der fahrende Künstler, der Maler und Naturforscher. Der “Elephant” in Gratz entsprach vollständig seiner Ehrenstellung in der zoologischen Classe!”
Ernst Haeckel, “Indische Reisebriefe” (1883), Kapitel I.
Hier das Inhaltsverzeichnis.
Der Text ist Teil der Website von Kurt Stüber, der eine erkleckliche Anzahl historischer Werke der Biologie gescannt hat. Die Texte sind teilweise unkorrigiert (das Zitat habe ich orthographisch ausgebessert, damit die gaftronomifche Claffification auch für Vollgebißträger artikulabel wird). Herr Stüber bittet übrigens um Unterstützung bei Eingabe, Korrektur, sowie um Aufstöbern weiterer solcher Werke.
(Gefunden über ronsens).