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- 10 01 2002 - 12:20 - katatonik

Leseabbruch, Teil 1

Was an Thomas Meineckes Schreiben dazu führt, dass ich seinen Roman “Tomboy” bereits nach 59 Seiten beendet habe, zeigt sich an dieser Stelle:

“Was beide Frauen unterschwellig an Jennie Livingstons ansonsten von, wie sie befanden, geradezu symbolistischer Schönheit beherrschtem Streifen irritierte, war, daß darin das Feld sexueller Ambiguität, wie in so vielen Spielfilmen auch, afroamerikanisch, hispanisch, also rassisch different besetzt war und er damit einen wahrscheinlich unbeabsichtigten, aber doch strukturell rassistisch zu nennenden Unterton besaß”.


Seite 57.

Charaktere werden vorgeführt, nicht eingeführt, hingestellt, nicht vorgestellt; der Sprachfinger zeigt auf ihren Kopf als Fertigprodukt, er fährt nicht den erst langsam entstehenden Linien eines möglicherweise sich verheddernden, zerfledderten Denkens nach. Wenn etwas offen ist, dann bleibt es nur offen, weil der Satz irgendwann aufhören muß.
Fertigteile aus dem theoretisierenden Zettelkasten werden Personen in Kommakaskaden zugeschoben, ohne dass sie als Charaktere daran vernehmbaren Anteil hätten. “Dazugehörige Personenstaffage” meint Roland im Zusammenhang mit Meineckes nächstem Buch “Hellblau”, und das charakterisiert die Quasi-Figuren in “Tomboy” auch recht gut. Man könnte das erweitern: nicht nur Personen sind Staffage, vermutlich sogar das Erzählen selbst.

Übrigens fand ich das Ding auch sehr tolpatschig geschrieben, und man sage mir nicht, die Tolpatschigkeit von Sätzen erfülle hier einen kalkulierten Zweck. Fragmentierung muß nicht patschert sein.

Eine meiner bislang aufgeschobenen Ideen besteht darin aufzulisten, auf welcher Seite ich aufgehört habe, welches Buch zu lesen. Also: Meinecke, “Tomboy”, 59.

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