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- 18 09 2022 - 15:34 - katatonik

Spurensuche II: ausgesaugtes Begehren

Die sexuell fordernde Vampirin, die Catherine Deneuve in Tony Scotts “The Hunger” (1983) spielt, ist weit von der verführerischen Versicherungsdetektivin entfernt, die sie in “The Thomas Crown Affair” (1968) gab (Spurensuche I).

Die Geschichte von “The Hunger” ist, wie viele Vampirgeschichten, kein Meisterwerk der Logik. Dem Film lassen sich einige Pointen abgewinnen, aber als Film wäre er gestalterisch nicht der Erwähnung wert, würde nicht Deneuve an der Seite von David Bowie und Susan Sarandon darin spielen, und, um es auf den Punkt zu bringen, ginge es nicht um Sex.

Deneuve und Bowie spielen ein jung und kraftvoll aussehendes, doch im Grunde sehr, sehr altes Paar von Vampiren, die in New York leben und jagen. Der Bowie-Vampir altert plötzlich sehr rasch, weshalb man die Schönheit David Bowies in diesem Film auch nur recht kurz mitbekommt (Abt. how to best burn your star vehicles). Diesen rapiden Alterungsprozess durchlaufen alle Partner der Deneuve-Vampirin, die sich dann bald von ihren Partnern abwendet, in diesem Fall aber den armen Bowie-Vampir netterweise zu retten versucht, indem sie sich an eine Gereontologin ranmacht, die von Sarandon gespielt wird.

Die erste im Film dargestellte Jagd der Vampire, sie beginnt in einer New Wave-Disco. Die beiden Vampire suchen sich willige junge Opfer, alles getrieben von coolness. Es kommt zu Sex und blutigem Gemetzel. So ist das mit der New Wave, wenn man sich auf die Ökonomie der Coolness einlässt, wird man buchstäblich ausgesaugt.

Danach berührende Szenen zwischen den Vampiren, tiefe Blicke, Zärtlichkeiten, Annäherungen unter der Dusche. Man wäscht das Blut ab, lässt die Wildheit der Jagd hinter sich, ist bereit für eine vertraute Begegnung mit dem Partner von seit Hunderten von Jahren. Kühles Blau, Wasserdampf, der die Ränder der Körper aufweicht; fließendes Wasser, das die Körper verbindet; Tropfen, die die gesteigerte Empfindungsfähigkeit der Haut anzeigen. Sind visuelle Assoziationen zu “Alien” von Tony Scotts Bruder Ridley, wenige Jahre zuvor rausgekommen, zufällig? (“Blade Runner” kam übrigens auch ein Jahr früher raus, 1982.)

Das Verhältnis der Vampirin zur Gereontologin ist ein ganz anderes, naturgemäß. Die Gereontologin muss gefügig gemacht werden, sie muss zur Vampirin verwandelt werden und gleichzeitig zur gleichgeschlechtlichen Sexualität hin geöffnet, das ist ein- und derselbe transformative Prozess. Er könnte emanzipatorisch sein, weil sich die Gereontologin von Beschränkungen des Menschseins befreit — und von ihrem recht öden Liebhaber —, kann es aber nicht sein, weil sie den Interessen der Vampire unterworfen werden muss und das Vampirsystem an sich letztlich einfach nicht emanzipatorisch ist. Sorry, junge Leute aussaugen in großen Mengen, das ist kein nachhaltiges Gesellschaftsmodell.

Für die Deneuve-Vampirin geht die Geschichte nicht gut aus; sie wird — das ist narrativ nicht besonders stimmig — ebenfalls von rascher Alterung befallen, und die am Dachboden abgelegten ehemaligen Partnervampire zerfallen alle zu Staub. Die Gereontologin-Vampirin übernimmt die Rolle der Hauptvampirin als Magnet junger, schöner Menschen, die sich von ihr aussaugen lassen wollen. Begehren ist nur um den Preis von Unterwerfung unter ein beinhart kapitalistisches System zu haben, das kann schon eine Pointe sein.

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