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- 19 09 2022 - 20:08 - katatonik

Notizen zu Moonage Daydream (Brett Morgen, 2022, 140min)

Es hilft gewiss, Fan von David Bowie zu sein, um diesen Film genießen zu können. Als interessierte, aber bestenfalls lückenhaft aufmerksame Beobachterin seines Werks fiel mir das schwerer. Eine mehr als zweistündige Collage, Archivmaterial, unveröffentlichte Konzertmitschnitte, Interviews mit Bowie, Aufnahmen von Bowies Reisen, von Bowie beim Malen, rasche Folgen von Zwischenschnitten aus der Filmgeschichte. Einiges zu genießen, manches spannend und interessant, die Gestaltung repetitiv, geradlinig, wenig inspiriert, recht adorativ und fasziniert; nicht mein Stil.

Die filmhistorischen Zwischenschnitte am unmotiviertesten, in ihrer Geschwindigkeit dann einfach nicht nachvollziehbar. Futter für Distinktionsgewinnler*innen (hallo, Nagisa Oshima, hallo Carl Theodor Dreyer), flirren rasch vorbei; es ärgert mich, wenn ein Film so mit meiner Aufmerksamkeit spielt, dass sie ins Leere läuft; es ist manipulativ (starke Clockwork Orange -vibes). Ich will im Kino nicht überwältigt werden.

Wie persönlich die Interviewer*innen manchmal sind; es kommt mir nicht nur platt, sondern sehr aufdringlich vor, einen Künstler zu fragen, wo nun der echte Er sei in all diesen Kunstfiguren, die er geschaffen hätte, und an seiner Persönlichkeit herumzubohren. Wie charmant Bowie mit Dummheiten und Zudringlichkeiten umgeht, als junger Ziggy noch mit provozierender Forschheit, älter dann bewundernswert gelassen.

Die Berliner Zeit, das Sprechen über den kreativen Prozess, wie es darum ging, etwas aufzubrechen, etwas neu zusammenzusetzen, Eno, Burroughs. Da gern mehr davon, viel mehr, aber genau das, das Hinsehen auf den Prozess, verschwindet dem Film aus dem Blick.

Die vielen Reisen, Afrika, Ozeanien, Australien, Japan; Aufnahmen, wie Bowie mit Menschen “vor Ort” musiziert (man erfährt glaube ich nicht, welcher Ort, man erfährt überhaupt sehr wenig), auch quasi-schamanistische Rituale, die ich nicht einordnen kann (Flüssigkeit, die in Bowies Richtung verspuckt wird), und dann diese meine Frage, wo das eigentlich alles ist in seiner Musik. Ist da nicht eine Diskrepanz zwischen dieser Neugier auf die Welt, die man sieht und spürt und dem, was der Mann musikalisch hinterlassen hat, so ab den 1990er Jahren?

Bowie in den frühen 1970ern als Teenage-Schwarm, mir unbekannt gewesen. Ich war zu jung, um das mitgemacht haben zu können. Die Aufnahmen total begeisterter Mädels und Jungs, die seinen Stil übernahmen, das hat mich überrascht.

Er spricht viel über sein Schreiben; ich hätte gerne mehr Texte im Film gehabt, gehört, gesehen. Mit Ausnahme der Musik — es gibt ja Konzertmitschnitte vorzuführen — verlässt sich der Film darauf, dass man weiß, was Bowie gemacht hat, es ist kein Film, der Bowie vorstellt oder sich zu seinem Werk verhält, Zugänge eröffnet. Vielleicht muss man das bei Bowie nicht, oder glaubt, es nicht zu müssen.

Momente aus Bowies reflektierenden Erzählungen: Chaos, Fragmentierung, damit umzugehen, umgehen zu müssen und zu wollen; Isolation, der Zustand einer inneren Entfernheit von Menschen; Liebe erst als etwas, das ablenkt und abhält von der Kunst, dann später als das viel Wichtigere. Vergänglichkeit, großes Thema, Verweise auf den Buddhismus (der im übrigen ein sehr reichhaltiges Repertoire von Reflexionen zur, aber auch Theorien der Vergänglichkeit hervorgebracht hat, das hier nur so als Zwischendurchbelehrung). Es gibt übrigens einen japanischen Werbefilm für “Crystal Jun Rock Shochu” (also ein alkoholisches Gesöff) mit Bowie aus dem Jahr 1980, dazu die Nummer “Crystal Japan”. Am Ende des Spots, aus dem auch Moonage Daydream zitiert, wird japanischer Text eingeblendet, übersetzt “Wenn sich die Zeiten ändern, ändert sich auch der Rock (Shochu)”. Von wegen Vergänglichkeit.

Bowie und Japan. Nicht dem Film, sondern dem Internet entnehme ich, dass Bowie in den 1960er Jahren bei Lindsay Kemp studiert hatte — Tänzer, Pantomime, Schauspieler, Regisseur —, der seinerseits vom Kabuki beeinflusst gewesen war.

“Bowie in turn drew on Kemp’s teachings in the construction of his Ziggy Stardust persona. The iconic Ziggy lightning bolt across the face reflects the boldness of kabuki makeup, as did his appearance in the Life On Mars video.”

Einige der Bühnenkostüme von Ziggy Stardust von Kansai Yamamoto designt, die großartigen Fotos von Masayoshi Sukita über Jahrzehnte hinweg.

Es war mir bislang übrigens nicht in den Sinn gekommen, Bowies Mimik mit dem Kabuki in Zusammenhang zu bringen, das Starre und Stilisierte, zum Teil auch das Make-Up; es ist aber stimmig.

(Bilder via diesen Account auf Twitter. Das erste stammt von Les Lambert und ist aus 1976, das mittlere von Michael Marks, Olympia Stadium, Detroit, 29. Februar 1976, das dritte stammt wohl ebenfalls aus 1976, dafür konnte ich keine Credits finden.)

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