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- 30 12 2024 - 20:33 - katatonik

Kaos (Serie, 2024; Charlie Covell)

Charlie Covells “Kaos”, erstmals nach langer Zeit eine mit großem Genuss gesehene Serie. 8 Episoden, eine überbordend lustvolle, doppelbödige Erzählung über die großen Kräfte der Gegenwart im Kleide der griechischen Mythologie. Jeff Goldblum als Zeus, Janet McTeer als Hera, David Thewlis als Hades, und so weiter. Der Olymp, eine launisch herrschende Firma, die Menschen und Reichtümer verschiebt, als gäb’s kein Morgen. Liebevoll unsubtil gestaltet — das Gemälde von Leda und dem Schwan hinter Zeus’ Sitzmöbel im Palast, der einer pseudoantiken Neureichenvilla gleicht, die Unterwelt als brutalistisch-bürokratischer Albtraum, gewissermaßen als Ellis Island, von wo aus die Guten und mit Obulus Versehenen zur Wiedergeburt antreten dürfen, während die anderen in einem undefiniert grauen Zwischendasein ohne Geschmackssinn Hilfsdienste leisten dürfen, der Nebeneingang in die Unterwelt in einer Biker-Kaschemme in der texanischen (oder so) Wüste.

Besonders ansprechend dabei die Rollenwendungen der Frauenfiguren. Orpheus, der Rockstar, steigt Eurydike nach, aber Eurydike entdeckte eigentlich am Tage ihres Todes, dass sie ihn nicht mehr liebt, und dann ist der Trottel auch durch seine selbstsüchtige Gefühligkeit dafür verantwortlich, dass sie nach ihrem Tod im brutalistischen Albtraum steckenbleibt. Es geht so aus, wie es in der Mythologie ausgeht (sie kommen nimmer z’samm), aber besser.

Ambivalenz looms large. Hera, von der Figur der in passiv-aggressivem Racheverhalten gefangenen Ehefrau eines unkontrollierbaren Kleinkind-Ehemannes zu einer leidenschaftlichen, machttaktisch gewieften und vergnügt brutalen Hüterin von Geheimnissen transformiert. Da ist diese eine Szene, in der sie auf einer Sonnenliege an Deck der recht protzigen Yacht des Poseidon, umstehend ihre stummen Dienerinnen (deren Zungen entfernt worden waren), von Poseidon oral befriedigt wird. Sie genießt es, dabei laut zu sein, ihr Geheimnis den Dienerinnen in die Ohren zu brüllen, you’re the best, schreit sie heraus. Im postorgasmischen Dialog fragt er, fast schüchtern, ob sie ihn eigentlich hätte heiraten können, und es entspricht ihr ganz und gar zu antworten if I had married you I would be doing this with him. Sie kennt sich und ist ganz, was sie ist, so sind sie in der Chefetage der griechischen Gottheiten. Ohne zivilisatorischen Firnis leben sie ihre Launen aus, dabei nur von Sorge um die Erhaltung jener Bedingungen getrieben, die es ihnen ermöglichen, ihre Launen auszuleben — argwöhnisch darauf achtend, dass diverse launische Wesen, Menschen, Halbgötter, andere Götter, auch ja nicht vergessen, dass ihre Launen, die der göttlichen Chefetage, Schicksal wären.

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