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- 11 11 2001 - 15:09 - katatonik

Völkerrecht, unzeitgemäßes Recht, Politik

Im Weblog “heimchen” wird die völkerrechtliche Situation zum möglichen Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan zusammengefaßt und erörtert.
Grundfrage ist ja – eh schon bekannt -, inwieweit ein auf Staaten als Akteure zugeschnittenes Völkerrecht auf diesen Fall angewandt werden kann.
Mir scheint’s, da gibt’s zwei Positionen: Die “so-tun-als-ob”-Position (“wir wissen zwar, dass das Völkerrecht eigentlich auf Staaten zugeschnitten ist, und dass Al Qaeda oder Osama bin Laden kein Staat sind, tun jetzt aber einfach so, als wär das der Fall, bis das Völkerrecht ausgebessert ist”), und die Gegenposition, die auf dem für Staaten geltenden Recht als solches besteht. Mal abgesehen davon, dass einige Völkerrechtler der Ansicht sind, Terroristen unterstützende Staaten könnten auch nach geltendem Recht schon wegen ihrer Unterstützung angegriffen werden.
Obwohl ich zwar Bedenken anderer Art gegen den Einsatz in Afghanistan habe, möchte ich doch darauf hinweisen, dass auch die hier vermutlich als empörend empfundene Haltung des “so tun als ob” uns in anderen Fällen durchaus plausibel erscheint.
Beispiel: Paragraph 209 des österreichischen Strafgesetzbuches sieht ein höheres Schutzalter für (männliche) Homosexuelle vor. Bei zumindest einem Prozeß in jüngerer Zeit ließ ein Richter Milde walten, wogegen der Staatsanwalt Einspruch erhob. Völllig berechtigt, weil das Gesetz nun einmal so ist, wie es ist. Aber offenbar sind wir bereit, bei unzeitgemäßer Gesetzeslage dann ein Auge zuzudrücken, wenn ein Abweichen eines Richters von der Gesetzeslage in unserer Sicht der Dinge “besser” oder gesellschaftspolitisch fortschrittlicher ist. Da tun wir halt eben einfach so, als ob. Ist hingegen das Recht gesellschaftspolitisch fortschrittlicher als seine Praxis, pochen wir empört auf den Paragraphen soundso. Es scheint also, dass die Argumentation auf juridischer Grundlage nicht immer nach gleichen Parametern erfolgt, sondern durchaus gesellschaftspolitisch oder überhaupt politisch gesteuert wird. Darauf wollte ich nur so mal hinweisen; was daraus folgt, weiß ich nicht. Vielleicht etwas mehr Bewußtsein für die Art und Weise, wie sich politische Diskussionen auf Recht und Gesetz berufen. Oder einfach nur fünf Minuten Zeitvertreib am Sonntagnachmittag.

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