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- 18 09 2002 - 13:11 - katatonik

The double bind of difference

“Ich glaube nicht an eine Politik eines Anspruchs auf Differenz, weil Differenz keine Frage von Rechten ist: Sie ist ein verqueres Bedürfnis, vielleicht eine schiefe Notwendigkeit. Und ich empfinde kritisch gegenüber all jenen, die mit der Parteinahme – sei es für SLT oder die Differenz – glauben, sie könnten die tragische Spaltung unserer Tage überwinden.

Diese Spaltung zwingt uns ständig dazu, uns selbst zu widersprechen: Unser Lobpreis der Differenz steht in Widerspruch zu unserem Universalismus individueller Rechte, und unserem ethischen Universalismus widerspricht ständig unsere Leugnung besonderer Sitten, die unsere Universalität ankratzen.

Es gibt keine einzige politisch-kulturelle Formel, um diese Kluft zu überbrücken. Es kann nicht die Antwort sein, für eine nostalgische Kommunistische Partei oder Alain de Benoists Neue Rechte zu optieren; aber es ist auch keine Antwort, zu einem hagiographischen Philosophen am Hof des SLT zu werden, wie die höfischen Dichter, die davon lebten, das Lob ihres Herrschers zu singen. Und sicherlich läßt sich diese Spaltung auch nicht durch philosophische Argumente überwinden – ein besonders quälendes Drama der Menschheit zur Jahrhundertwende. Es ist ein Widerspruch, mit dem wir leben müssen; vielleicht müssen wir von Fall zu Fall opportunistische Kompromisse finden.

Radikale Intellektuelle von angesehenen amerikanischen und britischen Universitäten finden eine Lösung für diesen Widerspruch in Gebilden wie Cultural Studies. Sie glauben an die Quadratur des Kreises, wie es Foucault des öfteren versuchte: den Kampf um die Emanzipation all jener zu unterstützen, die “anders” sind, nicht im Namen universaler humanistischer Werte – auf der Grundlage der utilitaristischen Kriterien Benthams und Mills und der wissenschaftlichen Rationalität – , sondern gegen diesen universalistischen Humanismus. Ein Paradoxon?

Im Effekt hat sich der ganze Nebel postmoderner Kultur in ebendiesem Paradoxon eingerichtet: Man fördert einen universalen Kampf, um partikularistische Identitäten (sexuell, ethnisch, kulturell und ethisch) in Anspruch zu nehmen. Aber diejenigen, die nicht “anders” sind, wollen die Vielfalt nur auf der Grundlage der universalistischen Kriterien des Humanismus akzeptieren.

Ich persönlich habe für diese Kultur der “verschiedenen Identitäten” nicht besonders viel übrig, denn auch sie versucht, den Widerspruch zu ignorieren, von dem sie lebt.

Ein politischer Schnitzer Foucaults erscheint mir beispielhaft: seine Kampagne zugunsten der chomeinistischen Revolution von 1978-79, eine Revolution, die Homosexuelle und Postmodernisten wie Foucault selbst an die Wand gestellt hätte. Die ganze Bewegung der Kulturstudien, Frauenstudien, Schwulentheorie, Ethnischen Studien, Lesbenstudien etc. ignoriert den double bind, in dem sie blüht und der Schnitzer wie den Foucaults unvermeidlich macht.”


SLT = “Sole Liberal Thought”, “Siegerkombination aus wissenschaftlichem Rationalismus, demokratischem Liberalismus, Apologie der Menschenrechte und Marktwirtschaft”. SLT behauptet in den Augen seiner Kritiker, “es wolle die kulturelle Pluralität verteidigen, läßt jedoch nur eine ästhetische Vielfalt der Kulturen zu.”

Sergio Benvenuto: “Globalisierung und das Bedürfnis nach Unterschieden”. Erschienen in Lettre 45/1999.

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