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- 8 08 2003 - 00:43 - katatonik

Wiedersehenswunschveranlassungsfilmvorführung

Praktischerweise wurde Jacques Tatis “Playtime” in Hamburg nicht nur heute abend gezeigt, sondern wird auch am 11. und 12.8. im Metropolis gezeigt werden.

Im Netz konnte ich keinen intelligenten Text zum Film finden. Dieses Antimodernismusverdikt kotzt mich an, das sah ich da nämlich nicht.

Schon gar nicht in Richtung “nieder mit dem rechten Winkel!”-Architekturkritik, die der den Film einleitende Vorsprecher vom Stapel klotzte.


Ich glaube auch, dass das sozusagen nur Zufall ist, dass die Tati-Welt als eine der Kollision des Prinzips Tati mit dem Prinzip Ordnung sich Orte sucht, an denen eben: Ordnung herrscht, mit der sich, so oder so oder so, kollidieren lässt. Mag sein, dass auch Tati das selbst als Kritik missverstanden hat. Dabei ist's nur eine Sache der Komik, die klüger ist als die Versuche, sie "kritisch" zu verstehen.

Die Komik ist dann überhaupt viel komplizierter als bloß der Gegensatz oder Aufeinanderprall von Tati und Ordnung: es geht ja auch immer um spielerische Entwicklung seltsamer Gegenordnung, um Lust an eigenwertig sich entwickelnden Wiederholungsmustern (auch ein running gag bei Tati ist nicht einfach ein running gag), parasitärer Formen von durchaus sehnsüchtigem Bezug auf Ordnung etc.

knoerer (Aug 8, 10:17 am) #


In einer der schlaueren Besprechungen des Films (weiss leider nicht mehr, wo), wurde gerade darauf hingewiesen, dass man den Film nicht auf die Modernismuskritik reduzieren dürfe, weil... und dann kamen zahlreiche Beispiele aus Tatis Leben und Werk, die belegten, dass er selbst ziemlich technikbegeistert war und in den Beschreibungen der Macken der Moderne wie in "Mon Oncle" immer auch die Ästhetik mitfeierte.

gHack (Aug 8, 11:27 am) #


Er musste, ob er's zugab oder nicht, die Technik und die Moderne ja auch lieben als Bedingung der Möglichkeit seiner Komik, die sich an der Moderneförmigkeit der Welt abarbeitet. Das, sei's biografisch, auf schlichte Affirmation oder Kritik zu bringen, wäre einfach zu einfach.

knoerer (Aug 8, 11:40 am) #


Es lief ja dann auch auf das berüchtigte "ambivalente Verhältnis" hinaus. Ich hasse und liebe Netz und Computer ja auch schnell alternierend.

gHack (Aug 8, 11:59 am) #


Ich kenne jetzt ja nur "Playtime", die anderen hab ich schon vor zu langer Zeit gesehen (Kinderfernsehen).

Zelebriert wird da tatsächlich sehr viel - wenn einmal entdeckt ist, dass sich ein Kreisverkehr sehr leicht als Rummelringelspiel sehen und betrachten lässt, dann wird das hemmungslos ausgeschlachtet, bis es auch der letzte kapiert hat. Anordnungen, Konstellationen, die erst mal da sind und dann plötzlich, durch einen kleinen Knick, als etwas anderes sichtbar werden. Kann auch ein Knick in der Akustik sein (diese Geräusche in dem Film - unglaublich!).

Wenn hinter einem Priester in einem Drugstore Handwerker am kaputten Neon-Schriftzug herumreparieren, bis einmal das "o" aufleuchtet, das "o" allein, und der Priester dann grad so davorsteht, dass es zum Heiligenschein wird. Moderne Technik und Ästhetik zum Zufallswitzprinzip machen, wegen der unvorhersehbaren, überraschenden Bilder, die sie (in der Stadt) ermöglicht.

Es ist ja auch der Blick immer so: Die Kamera sieht Konstellationen und Anordnungen aus gewisser Distanz, die sie aufrechterhält. Da schaut man dann so rum, auf diesem Riesen-70mm-Film, gespannt, wo jetzt auf diesem Panorama wieder ein Kleinwitz versteckt ist. Kunstgeschichtliche Assoziationen sind beyond me, aber Breughel, also doch, ja, Breughel.

Auch irgendwo aufgeschnappt den Versuch, den Film als Modernismuskritik im Sinn von Amerikakritik zu sehen. Auch das scheint mir daneben. Die amerikanische Damenreisegruppe (Marke Hühnerhaufen) stolpert durchs hypermoderne Paris, sich in "look! how modern!"-Rufen überbietend. Die junge Dame aus der Gruppe, die zu so etwas wie einer Protagonistin wird, schert aus und will unbedingt eine alte Blumenverkäuferin fotografieren. Sie hat offenbar was übrig fürs knorrig Lokale. Gelingt aber nicht so richtig, weil dauernd Jugendliche mit "USA"-Aufdruck auf ihren Bomberjacken, japanische Touristen oder amerikanische Soldaten durchs Bild stolpern. Dann gibt es noch einen amerikanischen Restaurant-Besucher der tölpelhaften money-buys-everything-Sorte, der sich dann zum Anstifter der echten Anarchie entwickelt. Es gibt so verdammt viele Drähte hin zu Amerika, dass das Rausfingern von einem Draht zur Amerikakritik erstens verdammt schwer und zweitens unsäglich uninteressant ist.

Äh, ja. Mindestens noch einmal anschauen.

katatonik (Aug 8, 12:00 pm) #


auf arte war mal ein tati-spezial. da hab ich die filme grossteils nachgeholt. grossartig.
es gibt noch was im netz dazu, hier:http://www.arte-tv.com/dossier/archive.jsp?refresh=false&node=25781&lang=de

godany (Aug 8, 05:00 pm) #


öhm. link nochmal hier

godany (Aug 8, 05:02 pm) #

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