Publikationsdialektik
Seit schon mehr als 20 Jahren hat das Institut eine eigene Publikationsreihe. Rein akademisch, billig, von einem als Verein konstituierten Arbeitskreis betreut, pure Selbstausbeutung aller Arbeitskreismitglieder (einiger mehr als anderer, versteht sich). Die Finanzierung erfolgt durch Verkauf und gelegentlich irgendwelche Zuschüsse, um die gekämpft werden muss. Da muss der hiesigen Forschungsförderung lang und breit erklärt werden, weshalb eine amerikanische Dissertation (kritische Textedition und Übersetzung eines Sanskrit-Textes) hier publiziert werden muss – weil nämlich in den USA Textausgaben und Übersetzungen praktisch nicht publiziert werden.
Eine ISBN-Nummer hat die Reihe nicht; hat sich bisher niemand drum gekümmert, schien auch nicht nötig. Die Öffentlichkeit, die diese Bücher interessiert, kennt uns sowieso. ISBN-Nummern kosten auch, und wir ham’s ja nicht. Ich wüsste auch gar nicht, wie man in Österreich zu einer ISBN-Nummer kommt. Ach, vielleicht sollte man das hier mal lesen oder anstelle einer Textlektüre-Lehrveranstaltung ein Praktikum “Tibetologisches
Kleinverlegen” anbieten. Studierende erwerben ein Zeugnis durch Transport von mindestens 20 Bücherpaketen pro Semester zur Post. Briefmarken müssen nicht abgeleckt werden. Das wäre Ausbeutung.Die Strukturen des Verlages sind informell. Drei, vier, fünf Hanseln und Hanselinen sprechen sich ab, noch ein paar mehr helfen mit bei Versendung und Kundenkontakt. Layout macht man selbst. Korrekturlesen natürlich auch. Für englische Werke vergibt man Werkverträge, wenn genug Geld da ist. Autorenhonorare gibt es nicht. Die Auflagen liegen im Ein-paar-Hundert-Bereich. Autoren kriegen zehn Belegexemplare. Kreditkartenakzeptanz können wir uns nicht leisten, aber vielleicht geht’s bald mit Paypal, liebe Kaufinteressentinnen aus den USA und Japan (Thailänder bitte über Taiwan bestellen, Paypal kennt Thailand noch nicht). Das internationale Interesse ist gross (für diesen Fachbereich), der Bekanntheitsgrad auch. Fast so, dass man sich verarscht fühlen könnte: dass so etwas auf völliger Selbstausbeutungsbasis über Jahrzehnte hinweg funktioniert, und noch dazu professionelle Produkte entstehen. (Einigermaßen professionelle.) Bei der letzten Evaluation dieses (Mini-)Institutes spielte die doch recht rege Publikationstätigkeit des über den Trägerverein am Institut angesiedelten Verlages doch eine grosse Rolle.
Die Strukturen sind informell und funktionieren natürlich nur, so lange Konsens unter den massgeblich beteiligten Personen besteht. Das war bisher weitgehend der Fall und wird auch weiterhin so sein. Der Verlag ist ein Eiland. Natürlich hat das strukturelle Nachteile, die bislang durch zwischenmenschliches Gut-Auskommen und Selbstausbeutungswilligkeit aller Beteiligten einfach nicht relevant sind. Es gibt keine Transparenz bei den Entscheidungen, was zur Publikation angenommen wird. Bislang gab es einen Herausgeber. Jetzt wird es drei geben. Man muss erst überlegen, welche Regeln man für den Fall von Unstimmigkeiten einführt.
Das Eiland-Dasein hat aber auch den erheblichen Vorteil der Unabhängigkeit. Eine an einen anderen Verlag gebundene Publikationslösung für Bände eines gewissen Unter-Fachbereiches wurde avisiert, vor ein paar Jahren. Jetzt deutet sich aber an, dass der geisteswissenschaftliche Bereich dort Boden verlieren wird. Man will junges, frisches Naturwissenschaftlerblut, nicht ausgereiftes (oder überreifes, je nach Betrachtung) Geistiges. Texteditionen und Übersetzungen von (noch dazu aussereuropäischen) Klassikern, das interessiert nicht.
Eine soziale Ironie, die sich derzeit in mehreren Bereichen zeigt: Kleine Inseln, die sich unabhängig gehalten haben, demokratiepolitisch gesehen aber womölgich problematisch sind, werden plötzlich zu angenehmen Biotopen. Wo man sich, vielleicht aus ehrenhaften Motiven, hin zu mehr Transparenz in allgemeine Verwaltungsmuster eingegliedert hat, wird man weggespart. Transparenz und Unterwerfung, auch so ein Tresen der modernen Dialektik.