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- 15 07 2022 - 09:06 - katatonik

Der Troll

Ich hatte bisher (gottseidank) nur einmal eine Situation, in der ich einen Troll an der Zerstörung einer Tagung hindern musste. Meine Sozialisation im Internet half mir dabei mehr als die wissenschaftliche Einrichtung, an der ich beschäftigt war. Und das kam so.

Ein jüngerer Kollege am Institut organisierte eine Tagung zu Thema X. Es war ein überschaubarer Adressatenkreis, also gab’s kein allzu formalisiertes Procedere mit Anmeldefristen und so. Dann erhielten wir etwas insistente E-Mails von einem Typ A, der unbedingt wollte, dass ein Typ B, mit dem er zusammenarbeitete, an der Tagung teilnehmen könnte. Weder A noch B waren zum Thema auch nur annähernd ausgewiesen. Ich hegte den Verdacht, dass es sich um eine Trollsituation handelte, hatte auch von anderen Veranstaltungen gehört, die A und B zerstört hatten, indem sie ihre eigene Agenda dort breittraten, obwohl es um etwas anderes ging. (Ich sag jetzt nicht, worum’s ging, will das nicht hochkochen.) Ich war mir nicht sicher, hatte viele Zweifel an meinem Urteil, wollte nicht zu vorschnell urteilen; es war kein einfacher Prozess.

Ich wollte das Thema nicht mit direkter inhaltlicher Konfrontation angehen — also einer Auseinandersetzung zu deren Agenda —, weil das nicht das passende Forum dafür war. Also versuchte ich zuerst, das Ganze organisatorisch abzuhandeln. Don’t feed the trolls. Tatsächlich war die Tagung auf größeres Interesse gestoßen, als wir erwartet hatten. Also schrieben wir Typ B mit Bedauern zurück, dass wir ihn gern auf die Warteliste setzen könnten, aber unsere Raumkapazitäten schon mehr als übererfüllt waren.

Das führte dazu, dass A sich bei der Führungsspitze der wissenschaftlichen Einrichtung beschwerte, weil wir wissenschaftliche Zensur ausübten: rhetorisch geschliffen, geschickt, elegant, überzeugend. Das kann natürlich kein Leiter einer Einrichtung auf sich sitzen lassen. Ich erhielt eine Nachfrage, beantwortete sie unter Hinweis auf das organisatorische Problem, dann erhielt ich einen Rüffel, weil wir organisatorisch unfähig wären, und die Auflage, ich möge doch, wenn es sich anbieten würde, B zu einer künftigen Tagung am Institut einladen, das sei mir aber völlig freigestellt, wie ich damit umginge (ich erahnte innere Meinungsverschiedenheiten zum Thema innerhalb der Führungsspitze).

Ich schluckte den Rüffel und nahm das Ganze auf meine Kappe, um den jüngeren Kollegen nicht zu beschädigen. Sowas bleibt an einem hängen, und er würde wohl in einigen Jahren eine Tenure-Evaluierung durchlaufen. Zwischendurch rief mich der Leiter der Verwaltung an, damals neu in seinem Job. Ihm erklärte ich die Situation, off the record. Das Wichtigste für ihn war, dass die Reputation der Einrichtung nach außen hin nicht beschädigt wurde. Das zu verhindern war sein Mandat. Als er den Eindruck gewann, ich hätte die Situation im Griff, war der Fall für ihn erledigt. Unterstützungsangebote gab es keine.

Da war die Tagung aber noch nicht gelaufen. Die Kommunikation mit A setzte sich fort. Ich blieb höflich, ließ mich nicht auf seine Agenda und die Zensurvorwürfe ein, und drückte meine Verwunderung darüber aus, dass ich mit A kommunizieren solle, wo A doch gar nicht an der Tagung teilnehmen wollte; das wollte ja nur B, der übrigens keine einzige E-Mail an uns Organisatoren richtete. Im ganzen Verlauf nicht.

Bis zuletzt war nicht klar, ob B kommen würde. A schrieb, er hätte den Flug bereits gebucht, extra aus den USA, legte Buchungsunterlagen bei, das schien glaubwürdig; natürlich wollte A, dass wir den Flug bezahlen. Ich stellte mich dumm und meinte, da müsse es irgendwo ein Mißverständnis gegeben haben, das ich gerne klären könnte, wenn B sich bitte direkt mit mir in Verbindung … tat er (natürlich) nicht.

Wir überlegten, wie wir mit der Situation umgehen würden. Tatsächlich war der Raum überbucht. Wir richteten eine Warteliste ein, mit klaren Prinzipien, die uns auch ermöglicht hätten, B gegebenenfalls organisatorisch fernzuhalten. Wir gestalteten den Raum so, dass die bei der Tagung direkt Sprechenden um einen großen Konferenztisch herum saßen, alle anderen Teilnehmenden auf Stühlen dahinter. Das hätte B, wäre er gekommen, automatisch in eine zweite Reihe gesetzt, von der aus es schwieriger sein würde, die Tagung zu kapern (dachten wir). Wir weihten die “Seniors” unter den Sprechenden in die Situation ein und baten sie, gegebenenfalls zu kalmieren und zum Tagungsthema zurückzuführen, falls B käme und das Gespräch kapern würde. Wir erzählten den anderen Teilnehmenden nichts von der Situation, um keine Unruhe reinzubringen.

Das Ganze lief wunderbar ab. B kam nicht, die Tagung war toll; manche sprechen heute noch davon. A und B trieben ihr Spiel weiter. Ich hörte von anderen Tagungen, die sie zerstörten, und sie schrieben auch immer wieder davon, davon, wie sie zensiert und unterdrückt würden. Über unsere Einrichtung haben sie bis heute kein Wort geschrieben. Wir haben die Trolls halt nicht gefüttert.


puh!

p3k (Aug 7, 11:10 pm) #

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