Tröstliches
Der kleine Park — wie man hier so sagt: Beserlpark — am Platz, in den meine Gasse mündet, er wird saniert. Es wird seit Wochen umgegraben, aufgewühlt, neu bepflanzt und neu bepflastert, dass es nur so eine Freude ist. Die Gasse bebt bereits frühmorgens vom freudigen Rückwärtsfahrpiepsen des Radladers. Aber das ist eine andere Geschichte.
Der Park ist ansonsten sehr belebt. Man sieht austrotürkische, austroserbische oder austromazedonische Familien an den Tischen und Bänken unter den Bäumen, in denen gern die Krähen ihre Nester bauen, neben den Gebüschen, in denen Spatzen tschilpen, die ihrerseits in den Mauernischen der umliegenden Gebäude brüten. Tauben werden auch gefüttert, ja. Es wird gekräht und getschilpt, gegurrt und gefiept, gegessen und getrunken, gelacht und geschimpft. Kinder turnen auf Spielgeräten herum, haben Spaß oder werden zu ordnungsgemäßem Verhalten ermahnt; Jungs und Mädels spielen am eingezäunten Sportplatz (im “Käfig”) Fußball oder anderes und durchleben irgendwelche finstren Seiten ihrer Pubertät. So genau will man das nicht wissen.
Es ist ein armer Bezirk; viele Menschen hier haben kleine Wohnungen. Sie genießen das Draußen nicht nur; sie brauchen es. An den Sommerabenden hört man Rufe und Gelächter bis spät in die Nacht. Ich mag das; die Nachbarin, die näher dran ist, eher weniger. Während des ersten Wiener Covid-Lockdowns im März 2020 wurde auch dieser Park gesperrt. Es war still und unheimlich. Die Tauben, perplex durch Futterentzug, verzogen sich in die Innenhöfe der umliegenden Häuser, auf deren Balkone.
Wo sind die Leute aus dem Park jetzt alle, während der monatelangen Sanierungsphase? Vielleicht zum Teil einige hundert Meter nördlich gewandert. Dort ist eine sehr ähnliche Anlage, die schon vor ein paar Jahren generalsaniert wurde. Geblieben sind aber die älteren Menschen, die, die nicht so weit gehen können, vor allem nicht bei Hitze. Manchmal nehmen sie sich Stühle und setzen sich in den Schatten an den Zaun des Parks und tratschen. Manche kommen auch in ihren Rollstühlen. Sie müssen genau wissen, wann die Bauarbeiter Pause machen, denn natürlich sitzen sie nie da, wenn’s richtig laut ist.
Heute sah ich die ältere Frau und ihren mittelalten Sohn aus dem Erdgeschoß unseres Hauses, die man immer schon von weitem erkennt, weil sie sich so langsam und bedächtig bewegen und er so groß ist und sie so klein neben ihm. (Einmal sah ich sie, unerwartet, im ersten Bezirk und erkannte sie ebenfalls sofort von weitem.) Sie saßen mittags, als die Bauarbeiter Pause machten, auf Stühlen am breiten Gehsteig gleich neben dem Park, im Schatten. Vor ihnen stand ein mit Wasser gefüllter Ofenbräter. Tauben tranken daraus, viele Tauben liefen am Gehsteig herum. Die Frau und ihr Sohn beobachteten die Tauben. Wir begrüßten einander; man kennt sich vom Sehen.
Diese Szenen haben etwas Tröstliches: Menschen finden Wege, trotz einer vordergründig katastrophalen Intervention in ihrer Umgebung Dinge aufrechtzuerhalten, die ihr Leben lebenswert machen. It’s the kind of thing I need right now.