Universitätsausgliederungen, anderswo
In Japan wurden, ich denke mit Beginn des Jahres, die staatlichen Universitäten ausgegliedert. (Hier übrigens eine Übersicht über das japanische Universitätswesen und rezente Entwicklungen, wo allerdings die nun erfolgte Ausgliederung noch nicht berücksichtigt ist.) Die genauen rechtlichen Parameter der Ausgliederung kenne ich nicht.
Gewisse Konsequenzen der Ausgliederung sind aber der österreichischen Situation ähnlich: Zusammenlegung kleinerer Einheiten in größere, Abschaffung permanenter Stellen, Verstärkung hierarchischer Strukturen und Aufwertung der Entscheidungsmacht der Spitze (Rektor). Wie Universitäten fachlich aussehen, hängt dann letztlich von Verständnis und Unverständnis des Rektors für die Wichtigkeit einzelner Fächer ab, war die Meinung einiger Professoren, mit denen ich sprach.
An einer Universität werden 13 Professuren der geisteswissenschaftlichen Fakultät gestrichen (die ohnehin nicht besonders groß ist). Der Rektor ist Physiker. An der ganzen Fakultät gibt es zwei Assistenten, von denen ebenfalls einer wackelt. Neue Assistentenstellen wird es nicht geben. Sekretäre/-innen gibt es an den nationalen Universitäten, die ich kenne, sowieso nicht. An einer anderen Universität gibt es ein Forschungsprojekt eines Institutes, mit dem internationale Gelehrte eingeladen werden können. Gleichzeitig hat das Institut selbst praktisch kein Geld. Natürlich gibt es keine Assistenten am Institut. Der für das Projekt angestellte Assistent wird praktisch automatisch für Institutsverwaltungsarbeiten herangezogen. Das ist nicht ideal, aber unvermeidbar. Klar, wenn jemand in den grossen Gemeinschaftsraum des Instituts kommt und da eine Person sitzt, wird die zum Ansprechpartner, beantwortet Fragen über Studienpläne und dergleichen; klar beantwortet der Assistent auch die Fragen, er ist ja daran interessiert, dass das Institut weiter besteht und Studierende weiter studieren (bzw. zu studieren beginnen).
Fächer wie Indologie oder indische Philosophie werden es in Zukunft schwerer haben, sagen alle. Überleben werden sie vielleicht als Teile grösserer Einheiten. Das Institut für indische Philosophie in Hiroshima (das sich in seiner Ausbildung natürlich nie nur auf Philosophie beschränkte, sondern ein recht breites Spektrum indischer Kultur abdeckte) ist jetzt mit den Instituten für chinesische bzw. westliche Philosophie und mit dem Institut für Ethik zusammengelegt worden. Die Professur für indische Philosophie ist derzeit vakant, und es ist fraglich, ob sie wieder besetzt werden wird. Natürlich: Wenn es kein Institut mehr als Einheit gibt, lässt sich leichter begründen, warum es auch keine Professur mehr zu geben braucht.
Vielleicht sogar die Mehrheit japanischer Indologen, die auf indische Philosophie spezialisiert sind, arbeiten in fachfremden oder nur sehr allgemein fachbezogenen Zusammenhängen: Sie unterrichten Deutsch oder Englisch, unterrichten Philosophie im allgemeinen, Religionssoziologie, Religionswissenschaften. Europäische Kollegen machen sich manchmal über japanische Kollegen lustig, weil sie so langweilige Vorträge halten und auch nicht wirklich produktiv wären. In dem Bereich, den ich kenne, halte ich auch vieles für methodologisch unbedarft: Philosophen werden behandelt wie Textproduktionsautomaten, Die Bedeutung von einzelnen Sanskritwörtern wird bis zum Erbrechen erörtert, Zitate werden gehortet. Wenn es daran geht, Argumente und Positionen zu verstehen oder kritisch zu diskutieren, herrscht Schweigen.
Trotzem – immer, wenn ich in Japan bin, bekomme ich gehörigen Respekt vor den Leuten, die dort überhaupt noch akademisch produzieren. Angesichts der Arbeitsbedingungen dort kommt mir das wie ein Wunder vor.