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- 31 12 2006 - 12:52 - katatonik

Abt. Steinfest, Unterabt. sturer Hund

Nach Nervöse Fische , das ich ausgezeichnet fand, und Der Umfang der Hölle, auf dessen zweite Hälfte ich hätte verzichten können (mit Ausnahme des einsamen Polartodes in Gesellschaft von Plastikenten), habe ich nun auch Heinrich Steinfests Kriminalroman “Ein sturer Hund” gelesen, erstmals erschienen 2003.

Der “sture Hund” hat mir wiederum ausnehmend gut gefallen. Der Plot ist annähernd im selben Ausmaß konstruiert wie jener im “Umfang der Hölle”, aber es zeigt sich, dass Unglaubwürdigkeit im Plot je weniger störend auffällt, desto mehr Sorgfalt auf die Charakterisierung der handelnden Personen und die Ausgestaltung von Nebensächlichem verwendet wird. (etc.pp. Das Lektorat ist, wie schon Herr Knoerer dort bemerkt, wirklich erstaunlich schlecht. Auch beim “Umfang der Hölle” übrigens.)

Hier ein kleines Zitat-Medley.

“... Aber für Mortensen klang es nun mal so, als seien diese Jungs im Krieg mit ihrer Sprache. Und zwar keineswegs aus einem Unvermögen heraus. Der Krieg war sozusagen gewollt. Das war allerdings ein Eindruck, den er auch gewann, wenn er Leuten zuhörte, die einen breiten Dialekt sprachen, irgendeinen. Ist der Dialekt breit, behauptete Mortensen, dann steht dahinter ein absichtsvolles Gefecht des Sprechenden mit seiner Sprache. Im Dialekt steckt die Wut. Weshalb eine Welt ohne Dialekt zweifellos die bessere wäre.” (p. 43)

“... Die volle Stunde war erreicht, und im Radio wurden die Nachrichten gesprochen. Dinge waren geschehen, in Berlin, in Tokio und in Brüssel. Dinge, groß und speckig wie Walrosse. Nichts, was die drei Personen, die vor und hinter der Bar standen, irritieren konnte.” (p. 70)

“... Entweder eine Darstellung paßt, dann ist sie zumeist unpräzise. Ist sie präzise, verfälscht sie die Wirklichkeit. Das ist meine Erfahrung.” (spricht der Privatdetektiv Markus Cheng auf p. 115)

“... Daß der folgende Tag dem Herrn und der Arbeitspause gewidmet war, ignorierte Cheng. Und das, obwohl er durchaus dem Katholischen anhing und dieses Katholische im Rahmen des Österreichischen auszuüben pflegte, also mit einer Lustlosigkeit gegenüber Gott und einer Lustfülle gegenüber den Riten, den Ornamenten, vor allem den Fresken in den Kirchen. Die Österreicher blicken nie zu Gott, immer nur zu den Deckenmalereien auf. Dies aber mit einer ungeheuren Innigkeit, so daß man sagen kannm, kein Volk der Welt verfüge über ein derart deutliches Bild von Gott, seinem Reich und seinen weltlichen Nutznießern, wie das die Österreicher tun.” (p. 127)

“... Beleidigungen sind freilich nicht auszuschließen in einer Welt latentetn Beleidigtseins, einer Welt, in der ein Ball nicht in ein Loch geschlagen wird, sondern sich unter dem geschlagenen Ball eine dicht gedrängte Masse von Löchern auftut.” (p. 168)

“... Obwohl erst zehn Uhr, war Cheng der einzige Passant, als er sich die leicht ansteigende Straße auf sein Büro zubewegte. Vorbei an geparkten Wagen, die im Schnee wie in aufgebrochenen Eierschalen steckten. Die ganze Stadt mutete an wie halb ausgebrütet.” (p. 213)

[Apropos Lektorat: Ich liebe das Bild der halb ausgebrüteten Stadt, aber der erste zitierte Satz deucht mir doch arg missglückt. Die “obwohl”-Ellipse verlangt nach meinem Sprachverständnis nach Subjektgleichheit mit dem Hauptsatz, nach Art von “obwohl erst drei Jahre alt, konnte Falco bereits Mozarts Kleine Nachtmusik mit dem rechten Nasenloch pfeifen”. Auch ein “entlang” scheint der leicht ansteigenden Straße zu fehlen.]

Nun ist der Jahresend-Schweinebraten auf niederbayrische Art fertig, und das ist ausnahmsweise wörtlich gemeint. Darauf ein Prost mit Weltenburger Klosterbräu, dunkel!


Ja, das ist echt ärgerlich mit dem Lektorat. Da schüttelt der Steinfest ein ziemlich großartiges Bild nach dem anderen und eine bezwingend verrückte Idee nach der anderen aus dem Handgelenk – und das Ausbleiben eines Lektorats zwingt einen dann doch immer wieder, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Autor manch nicht immer ganz lässliche Sünde im Umgang mit der deutschen Sprache begeht.

Ekkehard Knörer (Jan 2, 05:02 pm) #

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