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- 8 12 2008 - 20:57 - katatonik

Die Welt lernt von Österreich

“… Man muß Österreich auch gar nicht hassen, so wie die meisten Österreicher das tun. Man muß nicht übertreiben, nicht karikieren. Man muß nicht verbittert sein, kein Justizopfer oder Mindestrentner. Man muß nicht einmal die Sozialdemokraten verachten. Man muß nur einmal einen Antrag gestellt, ein Amt aufgesucht, in einem Krankenhausbett gelegen, in einem Kaffeehaus eine Bestellung aufgegeben, eine Wohnung gemietet oder in eine schmutzige kleine Erbschaftsauseinandersetzung geraten sein, um diese völlig originäre österreichische Bestechlichkeit zu erleben. Eine rotweißrote Käuflichkeit, die sich von jeder anderen unterscheidet und die jeden Millimeter dieses Landes und jedes einzelnen Kopfes beherrscht. Es ist bemerkenswert, daß ein staatliches Gebilde imstande ist, eine Verhaltensweise hervorzubringen, die man als Krankheit begreifen muß, eine Krankheit, die fast jede Person in diesem Land befällt. In dem Moment, da ein Mensch die Landesgrenze nach Österreich überschreitet, erkrankt er augenblicklich: Er wird böse, ungnädig, bedient sich auf raffinierte Weise der Lüge und entwickelt einen permanenten Zustand der Bestechlichkeit. Das gilt natürlich auch für Deutsche. Der Deutsche wird stante pede zum Österreicher, verwandelt sich, als wäre er gebissen worden. Es besteht ein virologischer Vampirismus indigener Bestechlichkeit in diesem Land. Und es wäre ausgesprochen naiv, die Sache damit abzutun, daß es überall gute und schlechte Menschen gibt und daß etwa in fernen Ländern… Das ist bloßes Blabla. Die österreichische Bestechlichkeit ist einmalig und von keinem dahergelaufenen, kulturlosen Dritte-Welt-Land zu übertreffen. Österreich wurde von Gott erfunden, um uns etwas ganz Bestimmtes zu sagen. Wir sollten einmal genau hinhören.”

Heinrich Steinfest, Mariaschwarz. München 2008: Piper Verlag.

(Steinfest bisher: 1, 2, 3, 4)

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