Noch mehr von den Texten, die wir mit beachtenswerter Regelmäßigkeit nicht verstehen
Isolde Charim schreibt wieder einen “Kommentar der anderen” im Standard.
Er beginnt mit Beobachtungen zu Macht und Raum und kommt zum Schluß, die Abriegelung der so genannten “roten Zone” in Genua würde einerseits Macht in einen “Sonderraum” jenseits des normalen Lebens verlegen und ihr, die in der modernen Zeit ja anonym und ortlos ist, andererseits einen “Ort” verschaffen. Es wird uns nahegelegt, dass es sich dabei um ein interessantes, bemerkenswertes Phänomen handelt.
Dieser Ort gelte als Zentrum, von dem aus die Proteste an eine Peripherie verwiesen werden.
Dann folgen einige Bemerkungen über die Unterscheidung von “guten” und “bösen” “Anti-Globals”, also Nichtrandalierern und Randalierern. Es wird uns vermittelt, dass diese Unterscheidung problematisch wäre. Es wird uns nicht mitgeteilt, dass es sich bei “Anti-Globals” um eine Ansammlung unterschiedlicher Gruppen und Menschen handelt. Es wird uns auch nicht mitgeteilt, dass der symbolträchtige Auftritt von “Anti-Globals” bei grossen Treffen der Mächtigen von anderen Formen politischer Aktivität, die vielleicht weniger symbolkräftig sind, begleitet würde.
Die “Kommentatoren” – damit meint Charim wohl vorwiegend Medienkommentatoren – würden den vermeintlichen “Guten” inhaltliche Kompetenz absprechen, indem sie ein Gegenmodell zum globalen Kapitalismus einfordern, dass die Anti-Globals offenbar nicht erfolgreich bereitstellen können. Damit, so Charim, würden sie aber den Charakter der “Bewegung” verfehlen, die zwar eine universelle Bewegung sei, indem sie keine partikularen Interessen vertrete, aber gleichzeitig eben nicht gesellschaftliche Gegenmodelle außerhalb des alles integrierenden Spätkapitalismus präsentierten. Der Kommentar endet mit folgendem Absatz:
Die Besonderheit der Anti-Globals liegt nicht anderswo als in ihren Interventionen, anders gesagt in dem unglaublichen Maß an Selbstmobilisierung, das sie hervorzurufen imstande sind. Als solche sind sie die direkte Antwort auf das neoliberale Subjekt, den Unternehmer seiner selbst. Die Anti-Globals zeigen eine andere Art der Eigeninitiative – mit einem neuen Typus von dezentraler Bewegung ohne zentrale Identifikationsfigur. Seit Genua hat sie hingegen ein erstes Opfer.
Es wird nahegelegt, dass es sich bei der beschriebenen Besonderheit der “Anti-Globals” um etwas Bewundernswertes handelt, um ein Phänomen, das nicht nur interessant ist, sondern das gegenüber anderen, vergleichbaren Phänomenen (politischen Bewegungen) gewisse Vorteile bietet: universell, aber nicht so blöd, Gegenutopien zu formulieren. Belobigt wird das Symbolische, das gewitzte Agieren im präsentablen Event-Bereich. Geschwurbelt wird im Symbolischen, in Räumen und Orten und Machtmetaphorik. Es wird uns nicht mitgeteilt, dass die Heterogenität der “Anti-Globals” auch eine Heterogenität ihrer Selbsteinschätzungen beinhaltet.
Im Bemühen, die “Anti-Globals” gegen bestimmte Formen von Vorwürfen zu verteidigen, verflüchtigt sich das Kind mit dem Bade: Man könnte ja auch die Frage stellen, warum jeder Gesellschaftskritiker gleich ein voll ausgeklügeltes Gegenmodell haben muß, hingegen Gesellschaftsverteidigern die Berufung auf den Istzustand als Idealzustand so ohne weiteres durchgeht. Man könnte auch auf die – finde ich – bemerkenswerte Parallele beobachtbarer rhetorischer Muster mit jenen des Kalten Krieges aufmerksam machen, wo ja jedem, dem es hier nicht paßte, gleich der Weg nach Irkutsk vorgeschlagen wurde. Heute sieht das dann so aus, dass jedem, der nicht an den Markt als allseligmachende Kraft glaubt, ein Vertreten von “überkommene” Ideologien (Kommunismus) unterstellt wird. Ich finde ihn jetzt nicht mehr, aber die “Neue Zürcher Zeitung” hatte in ihrer Wochenendausgabe einen Kommentar, der diese rhetorischen Muster in unüberbietbarer Deutlichkeit illustriert.
Ja, vieles könnte man da anmerken, bemerken, sich überlegen. – Warum fällt mit bei solchen Texten immer zuerst die Phrase “geistige und politische Selbstamputation” ein?
Genau, Genau, Genua!
Musste gerade einen Text von Isolde in der TAZ aus Deutschland lesen und begab mich auf die digitale Suche nach diesem Menschen, der wohl auch beim Kacken nicht kackt, sondern in einem Setting von Äquivalenzketten die Kontemplation manifestiert und dabei Segregation temporär, aber nicht restriktiv vermittelt.
Isolde, kack dich mal richtig aus.
na hören Sie mal, nur, weil Sie mir zustimmen, müssen Sie den Kommentarbereich doch nicht gleich mit Fäkalsprache verzieren!
Ich wollte Ihnen natürlich nicht auf den Schlips treten, nur damit zum Ausdruck bringen, dass es sich bei den Texten von Isolde Charim, wenn man Artaud folgt und seinen Satz: “Dort wo es nach Scheiße riecht, richt es nach Leben!” zu Herzen nimmt, um etwas Lebloses handelt, um etwas, dass mit der Realität nichts zu tun hat, außer mit der Realität von Isolde Charim.