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- 19 04 2004 - 23:37 - katatonik

Die Goldbuben, ihre Heastmis und die Kinnfaltenfinsternis

Das mit den nach oben gegelten Igelhaaren, der Verlauf-Sonnenbrille, dem offenen Grossmusterhemd, das mit den goldglänzenden Trainers und dem Goldketterl, das sah ich erst später. Zuerst hörte ich die Stimme. “Heast mi”, “heast mi”, “heast mi”, im Rhythmus der vorbeiziehenden salzburgischen oder oberösterreichischen Hügel ins Handy gekrächzt. Er hat gehört, manchmal, manchmal nicht, am langen Weg von Salzburg nach Linz, im Speisewagen. Wenn er nicht gehört hat, hat ihn der Goldbub wieder angerufen, nachdem der zwischendrin in der Sendepause noch ein Bier bestellt hat, noch eine Zigarette geraucht und beide Flächen seines Aufklapphandys angestiert und dabei mit dem rechten Knie unterm Tisch gezittert.

Eigentlich hat er gleich wieder umdrehen wollen, wie sie sich so wenig gefreut hat, dass er da war. Dann haben sie aber doch geredet, und sie sagt, und er hat, und sie, und er, und so, und ein paar Mal sind sie laut geworden, aber am Ende doch wieder, naja, reden halt. Er hat glaubt, er träumt. So bemüht hat er sich da im Urlaub, sooo bemüht, weil er ja weiss, was sie stört, was sie da mit dem anderen durchgmacht, soo bemüht hat er sich. Alles wollte er ihr recht machen, den Mund gehalten, wo er sonst wos g’sogt hätt’, so ong’strengt. Aber nix, na. Des moch i nie wieda. I woa anfoch zu guad zu ihr. Einfach zu gut gewesen. Viel zu gut. Heast mi? Viel zu gut, ja viel zu gut wäre er gewesen, so bemüht, so angstrengt, wegen dem da, ja, und dann sowas. Ob des jetzt wieda vorbeigeht, hob i g’frogt. Na, hot’s g’sogt. Des bleibt so. Des bleibt so, dass sie sie ned g’freit, waun’s mi sigt. Fü z’guat. Fü z’guat bin i g’we’n. Heast mi?


Ein paar Mal überlegt, ob ich ihm zuprosten oder was sagen soll. Irgendwann zur Überzeugung gelangt, das kann alles nicht wahr sein, das macht der doch nur für irgendeine Jux-Sendung im Fernsehen, versteckte Kamera im Speisewagen gesucht, ernsthaft, jetzt.

So geht es dahin, und mit jeder Schleife ein paar Details mehr über dieses Gespräch dort und diesen Streit da. Und er? Der Heast mi? Ja? Habt’s g’red’t? Jo? A offene Beziehung wü’s? Und, wos, du steigst do ei d’rauf? Echt?

Erst knapp vor Linz, nach so etwa dem fünfundzwanzigsten Heast-mi-eingeleiteten Anruf, fragt Goldbub den Heastmi, ob sie nicht was trinken gehen wollen jetzt dann, wenn er dann ankummt, jetzt.

Nach Linz nehmen zwei jüngere und weniger goldene Buben seinen Platz ein. Sie haben auch ihre Heastmis, mit denen sie über Fussball reden. Die Dame mir gegenüber, mit schwarzgrauem Dutt und bittrig zerfurchtem Kinn, schlägt ihr Buch “Grossmutters Geheimnisse” zu und kratzt mit der Gabel den Staubzucker am Teller zu Kreisen um das Stück Apfelstrudel, extra ohne Schlag bestellt und gehofft, dann würde es billiger sein. Sie wispert den Kellner herbei, immer wieder. Mit jedem vergeblichen Wispern wird es dunkler in ihren Kinnfalten.


Hach!

gHack (Apr 20, 07:41 am) #

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