Beijing, alter Sommerpalast
Der “alte Sommerpalast” (Yuanmingyuan), eine ca. 3,5 Quadratkilometer große Anlage aus Palästen und Gärten, liegt im nordwestlichen Teil Beijings. Die Bauarbeiten an der etwa 8km von den damaligen Mauern der kaiserlichen Hauptstadt entfernten Anlage wurden im Jahr 1709 begonnen und hörten wohl bis zu deren Zerstörung nicht mehr auf. Es gab auch einige Gebäude im tibetischen und mongolischen Stil, und der Qianlong-Kaiser ließ einen hinteren Teil des Parks von Jesuiten nach europäischem Stil gestalten (inkl. Theater).
Wiewohl ein Großteil der Gebäude im zweiten Opiumkrieg (geplündert und) zerstört worden sein dürfte, blieben einige der Gartenanlagen intakt. Die Wikipedia-Seite hinterlässt den Eindruck, dass die Anlage im Laufe der nächsten hundert Jahre sukzessive weiter abgebaut wurde, während des Boxeraufstands, von den Kaisern selbst aufgrund von Bedarfs an Baumaterial oder aus Geldnot (Verkauf wertvoller Bäume), dann während der Kulturrevolution. Bis zu den 1980er Jahren wurde das Gelände nicht als Gartenanlage geplfegt; es diente dem Ackerbau. Erst dann wurde es von der Regierung als historische Stätte eingerichtet. Eine Künstlerkolonie siedelte sich an und wurde wieder abgesiedelt.
Heute gibt es da einen einen riesigen Park mit teils offenen, teils überwachsenen Steinruinen, mit wieder aufgebauten Pavillons, mit Teichen voller Wasserlilien, gepflegten Gärten und Wäldern, zur Besichtigung stehenden Ruinenanlagen und Freizeitdekoration.
Ich habe den Park an einem Sonntag besucht, wie viele andere auch. Reisegruppen wurden mit Megaphonen durchgeschleust, Naturfotografen und \-innen zückten ihre Riesenteles (übrigens recht viele Frauen mit Riesenteles, fällt mir in Österreich nicht so auf), Familien stritten sich lautstark, Kleinkinder wurden beruhigt, ältere Männer saßen an stillen Stätten und übten an Musikinstrumenten, in einem Pavillon auf einem Hügel saß eine Frau mit Handy und knallrotem Mikrofon und übte Karaoke. Die miteinander durch Kanäle verbundenen Teiche wurden von Ausflugs- und Tretbooten befahren. Es gibt ausreichend öffentliche Toilettanlagen. Als ich meine Hände wusch und dann meinen Rucksack kurz auf einem hölzernen Stuhl abstellte, kam eine sichtlich müde Frau, legte sich auf die Bank daneben, um zu schlafen.
Die Luft flirrte vor Sonne und Grillen, hie und da ein Kuckuck, Elstern kämpften um Futter oder regten sich über sonstwas auf, Spatzen tschilpten, ein schwarzer Schwan zog Kreise durch einen der Teiche, irgendwo flatterte ein Graureiher auf. Der alte Sommerpalast gilt, auch das entnehme ich Wikipedia, als ein Erinnerungsort an die Demütigung durch ausländische Mächte; es gibt auch heute noch diplomatische Bemühungen mit dem Ziel der Repatriierung der in mehrere Länder verstreuten Kunstgegenstände, Kostbarkeiten und Baudenkmäler. Im Park selbst spürte ich davon nichts, las ich davon nichts, sah ich davon nichts.