Der gute Ausgang
Ich wusste, es würde gut ausgehen. Ich kannte bereits die nächste Folge der Serie und wusste daher, die zwei meiner Kolleginnen, von denen man am Ende dieser Folge noch nicht wusste, wo in dem langsam von oben her abbrennendem Riesengebäude sie waren, und ob sie noch lebend geborgen werden würden, also sie würden geborgen werden und leben.
Daher wusste ich auch, dass das Gebäude brannte, langsam von oben her, noch bevor es irgendwelche Anzeichen dafür gab. Ich stand draußen und sah zu, wie festlich gekleidete Würdenträger*innen, Herren in dunklen Anzügen und Frauen in vielfarbiger Festkleidung (vorgestern eine sich vorbereitende Hochzeit vor der Kirche San Pietro in Vincoli), zu den bunten Barock-Textiltapeten im Gebäude passend, hineinströmten zu irgendeiner Feier Es zog mich auch hinein, ich musste Menschen warnen, obwohl ich das nicht wusste, aber sagten die nächsten Folgen tatsächlich, dass alle überlebten? Ich war mir nicht sicher, vielleicht musste ich daher hinein in dieses überwältigende Gebäude.
Das Gebäude verwandelte sich, während ich darin unterwegs war. Es gab Treppenaufgänge von Otto Wagner, es gab satinverkleidete Tapetentüren und viel Stuck. Es galt auch recht kleine Babies von einer Station zu retten, da war wohl auch etwas mit Krankenhaus. Da war dann schon klar: Es musste gerettet werden. Sie lagen nicht in Brutkästen, sondern waren in sehr praktische, knisternde und transparente Plastiktüten verpackt, die sich nicht so anfühlten, sie aber dennoch gut gepolstert vor allem schützten. Das Bild, wie zehn, fünfzehn dieser Babies knisternd auf einem Boden lagen und Wohllaute von sich gaben, es war herzerwärmend, es erwärmte mein und anderer Herzen, aber ich wusste, ich musste weiter, retten.
Menschen über Treppen nach unten dirigieren, damit niemand Ausgänge verstopfte (die stets verstopften Gänge der römischen U-Bahnen). Es lag eine Katastrophe in der Luft, die gleichzeitig nicht in der Luft lag, denn noch gab es keine Evidenz dafür, keinen Rauch und kein Feuer, und es war gefährlich, zu vielen Menschen davon erzählen, dass es eine Katastrophe gab, die es nicht gab, denn es würde ja niemand glauben; die Sache mit dem, der zu oft “Wolf” schreit, Sie wissen schon.
Die zwei Kolleginnen, ich traf sie irgendwann, sah sie dann aber nicht wieder, redete mir aber ein, ich müsse mir keine Sorgen um sie machen, denn ich kannte ja die nächste Folge. Und wenn ich ihnen jetzt vom Brand erzählte, würde ich dann in die Zukunft der nächsten Folge eingreifen, sie eventuell gar gefährden?
Am Ende stand ich im weiten Hof des Gebäudes und blickte nach oben. In den oberen Stockwerken Rauch. Teile von Mobiliar, Teile von Treppen, fielen plötzlich herab in den Hof, keiner Gebäudelogik folgend, keiner Brandkatastrophenlogik folgend, seltsam dimensionierte Giger-Teile. Da waren viele Menschen, doch niemand wurde getroffen.
Als ich den Ort der Katastrophe verließ, traf eine Spaß-Feuerwehrdarstellertruppe des Öffentlichen Fernsehens ein; sie stritt sich mit einem Spaß-Rettungsdarsteller im Stil von Bruce Willis darum, wer den ersten Auftritt vor Ort haben würde. (Aufgew.)