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- 13 04 2024 - 20:04 - katatonik

Women at night

Und dann findest dich plötzlich in einer Situation wieder, die auch schon lang nicht mehr: mit anderen, in dem Fall: zwei Frauen, zusammengewürfelt, die du jetzt nicht so besonders gut kennst, dich bei einer Feiergelegenheit zusammenplauderst und -trinkst, und dann sagt die eine, jetzt gemma noch dorthin, und dann setzt die sich ins Taxi, während wir beiden anderen uns aufs Fahrrad werfen, und wir am Fahrrad sind halt dann doch schneller, so den halben Ring entlang.

Und dort ist dann halt eine andere Feiergelegenheit, und dort geht es weiter mit Plaudern und Trinken. Nur, dass das damals halt häufiger so völlig offene oder irgendwie andere Szenarien waren, Wohnungsfeste, Menschen aus Subkulturen mit im vielfältigen Werden begriffenen Leben. Jetzt sind das drei Frauen mit Karriere, in nicht ganz unwichtigen Positionen, und das eine Fest ist eine Forschungsfeier, das andere ist eine Party von Wirtschaftstreuhändern. Beide in Dachgeschoßen von historischen Gebäuden in unterschiedlichen Modernisierungsgraden, fantastischer Ausblick, da sagst nix mehr.

Und es is immer noch so, dass es dann um alles Mögliche geht, beim Reden, es wird ja so lang und so viel und so schnell geredet, bis allen schwindlig wird. Aber heute geht es mehr um launige Geschichten im Berufsleben, zumeist mit wichtigen Männern, unglaublich, was da alles abläuft. Es geht viel um erfahrene Lebensgeschichten, gibt ja doch schon so Einiges davon, und Einschläge und Krisen rundherum, vor allem in Familien. Pflegenotwendigkeiten, Hilfsnotwendigkeiten, Hilfsbedürfnisse. Das sind die zwei Konstanten mit den Frauen jetzt in diesem Alter: Mächtige Männer und Pflege.

Draußen tobt ein Sturm, und durch den radelst du dann im Zentimetertempo nach Hause, und das kommt dir auch wie so eine Metapher vor: Du hast ein Fortbewegungsgerät, das der Situation nicht mehr ganz angemessen ist, aber du musst halt nach Hause damit, du willst das jetzt durchziehen, könntest ja auch in ein Taxi und das Radl morgen abholen, aber nein, es sind eh nur mehr zwei Kilometer, das packst du, du hast ja noch etwas Kraft und plötzlich erstaunlich viel Geduld und stemmst dich gegen den Wind, was vielleicht lächerlich wirkt, sich aber in der Situation als das ausnehmend Richtige anfühlt.

Ein paar Tage später trinkst dann auch mit ein paar Frauen, nach einer Sitzung, diesmal bist du selbst die älteste, die anderen drei sind auch im Betrieb, aber noch auf der Suche nach einer Perspektive. Ganz jung sind sie nicht mehr, an die Vierzig, aber heute kriegst du ja in der Wissenschaft vor Vierzig kaum Perspektive, will sagen: kein Arbeitsverhältnis ohne festgelegtes Ablaufdatum. So sind sie also auf der Suche, und du redest hin und her, erzählst die Geschichten von deinen Bewerbungen und Bewerbungsversuchen, von denen du glaubst, ihre Erzählung würde den anderen was bringen, ohne allzu belehrend zu wirken. Eine Art Ratschlag, eine Art Information, eine Art Unterhaltung.

Und sie mischen sich da hinein, die Erkrankungsgeschichten, die eine ja immer noch mit Perücke, Bewerbungsvorträge sehr anstrengend, ja, und immer die Unsicherheit, merkt jemand was, also von der Perücke, soll sie darauf hinweisen, dass, oder eher nicht, und ich frage nicht, ob sie glaubt, wie sie einen Professuralltag durchstehen würde, wenn schon der Bewerbungsvortrag so kraftzehrend. Man muss den Leuten nicht die schmerzhaften Fragen stellen, von denen man ja sieht, wie oft und zermürbend sie sich selbst stellen. Das Wetter jetzt wärmer, es war ein unverschämter Sonnentag (hot pants sightings!), der Alkohol war nicht ganz so viel, obwohl der Bayer wieder da war mit dem guten selber gebrannten Calvados, der aber klar ist, weil nicht im Holzfass gelagert, von dem die Farbe kommt, also da muss man schon kosten, und diesmal fährt sich das Radl leicht nach Hause, du musst dich gegen nichts stemmen, auch nicht gegen den Wind.

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