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- 12 09 2002 - 08:51 - katatonik

Grunewald & schlechte Menschen

Gäbe es auch Stoffe, die Ihnen schlicht zu deprimierend wären, um darüber zu schreiben?

Ja, schon. Das wären wohl die Täter-Geschichten.

Aus einer Scheu, sich in solche Personen hineinzuversetzen?

Nein. Das wäre wahrscheinlich sogar leichter. Aber ich will Erfahrungen gewinnen, die mich auch bestärken, durch die ich mich weniger einsam fühle. Zu schreiben, wie schlechte Menschen sind – das ist für mich Kitsch.
...
Allen Ihren Büchern liegen “historische” Begebenheiten zugrunde. Lehnen Sie gegenwärtige Stoffe überhaupt ab?

Sie meinen vermutlich eine Geschichte, die auch in der Gegenwart beginnt. Auch da würde mich dann die historische Dimension interessieren. Wenn ich diese deutsche Literatur lese, in der ständig Zahnärzte vorkommen und Villen in Grunewald, und schon im ersten Absatz “dachte er” steht – das sind schon Gegenwärtigkeiten, die mich furchtbar langweilen. Der Mensch ist ein historisches Wesen, und die Missachtung dieser Dimension lehne ich ab. Außerdem bin ich ja auf alle meine Geschichten in einem bestimmten Moment gestoßen, der damals meine Gegenwart war. Ich befinde mich beim Schreiben eh ständig in der Gegenwart.
...
Der deutsche Schriftsteller und Musiker Thomas Meinecke hat in einem Interview sinngemäß einmal gemeint: Gott bewahre mich davor, etwas erfinden zu müssen. Gilt das auch für Sie?

Ich spreche niemandem das Recht ab, fiktiv zu arbeiten. Wenn man anständig recherchiert, kann man sich von da aus auch in die Gefilde der Fiktion emporheben. Die Grenze verläuft nicht zwischen Fiktion und Dokumentarismus – man muss bloß wissen, worüber man schreibt.”
Erich Hackl im Gespräch mit Klaus Nüchtern.

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