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- 1 02 2021 - 20:59 - katatonik

The Italian Job (Peter Collinson, 1969)

Wie sagt man zu “Caper” oder “Heist movie” auf Deutsch? Gaunerklamotte? Ganovenfilm? Kein Wort kommt mir in den Sinn, das auf gleiche Weise wie die englischen Ausdrücke humoristische Coolness und brutale Eleganz im Umgang mit spektakulären Eigentumsdelikten vermitteln könnte. “The Italian Job” ist jedenfalls ein Film, der sich diesem Genre verschrieben hat, mit einem sehr jungen Michael Caine, Noel Coward, Benny Hill, Raf Valone. Komisch, dass mir der Film bisher entgangen war, er scheint legendär zu sein, schrieb zumindest die New York Times vor ein paar Tagen in einem Empfehlungsartikel zu aktuellen Streaming-Angeboten. Man ist ja dankbar für jede Form der Pandemietherapie, auch wenn sie nur auf Ablenkungsmanöver hinausläuft (pun intended).

“The Italian Job” ist nämlich ein Autofilm, durch und durch. Charlie (Caine) wird aus dem Gefängnis entlassen und bahnt mit freundlicher Unterstützung des Grand-Seigneur-Gangsters Bridger (Coward), der im Gefängnis ein schön überzeichnetes Luxusleben führt, einen gigantischen Goldraub in Italien an. Das Ganze wird liebevoll geplant, mit lauter süßen coolen Gangsterlis, die Anzug tragend um einen Konferenztisch sitzen und aufmerksam Charlies Unterweisungen lauschen und sich generell benehmen wie Studenten auf Exkursion bzw. von Charlie auch so behandelt werden, wie man damals Studenten auf Exkursion wohl behandelt hat, also eher ruppig. Der selbstverständlich völlig wahnwitzige Plan beinhaltet, dass die britische Truppe eine Reihe von Fahrzeugen unterschiedlicher Art über die Alpen bringt und sich den ohnehin schon dichten Verkehrszustand in Turin zunutze macht, um inmitten eines auf die Spitze getriebenen Chaos einen Goldtransporter auszurauben und in drei Mini Coopers (natürlich in rot, blau und weiß) ein gefinkeltes Getaway hinzulegen, für das im Vorfeld eifrig geübt wird. Many Mini Coopers were harmed in the process. Verkehrsmittel sind dem Film zentral; es gibt schöne Aufnahmen von Turiner Straßenbahnen, der Flughafen kommt auch nicht zu kurz, und dass Charlie als Diebstahlsvorbereitung die Stromversorgung eines Rechenzentrums mit total state-of-the-art-Bandmaschinen ausgerechnet durch den gezielten Wurf eines Fahrrads über einen Zaun lahmlegt, ist fast schon ein Treppenwitz der dem Film inhärenten Verkehrsmittelgeschichte. Es wird auch viel abgefackelt und explodiert.

Die örtliche italienische Kriminellengemeinde ist ob der britischen Intervention auf ihrem Territorium erwartbar unerfreut und verhält sich entsprechend, oder versucht es zumindest, so richtig zum Zug kommen die Burschen nicht. Ebenso wie die Polizei — britisch und italienisch — haben konkurrierende Kriminelle hier bestenfalls eine ereignisbeschleunigende Rolle. (Na gut, sie stehen gelegentlich auch mit riesigen Baggern in den Alpen herum und bugsieren britische Cabrios über Klippen runter.)

Nach dem natürlich erfolgreichen Goldraub flüchten die Gauner mit den Mini Coopers durch Straßen und Gassen, rutschen durch die schönen Turiner Galerien, wieseln durch Unterführungen und ruckeln durch Abwasserkanäle (die aber anscheinend im UK gefilmt worden sind), dass es nur so eine Freude ist (Youtube clip). Auch die Rennstrecke am Dach des Fiat-Werks in Lingotto wird befahren, und die Mini Coopers hüpfen behende von Dach zu Dach (hier die Szene auf Youtube). Dieser Text fasst die Stätten in Turin zusammen, an denen gefilmt wurde (Palazzo Madama, Galleriae dell’Industria Subalpinauand San Federico, entlang der Via Roma und in den Tunnels von Porta Nuova, Stufen der Chiesa di Gran Madre di Dio, Dach der Palavela).

Bei aller Liebe zur Blechanarchie: Wie bankrott muss die Stadt Turin damals gewesen sein, um die sicherlich nicht unbeträchtliche Zerstörung in den Straßen durch die Dreharbeiten hinzunehmen? Sind die Dreharbeiten in die Stadtgeschichte als große Katastrophe eingegangen, nach der noch monatelang repariert und aufgeräumt werden musste? Wurde ein Mini-Cooper in eine örtliche Kathedrale eingemeißelt?

Apropos Europa. Der Film endet damit, dass der Bus, in dem die Jungs die Goldbarren und sich selbst über die Alpen fahren wollen, wegen eines Fahrfehlers halb über einer Klippe hängt, also ein Cliffhanger im Sinne des Wortes (haha). Man weiß nicht, ob es den Räubern gelingt, sich/und oder das Gold zu retten. Natürlich wurde das Bild bereits als Metapher für den bevorstehenden Brexit gedeutet.

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