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- 19 05 2021 - 19:14 - katatonik

Years and years (2019, Serie, BBC/HBO; Russell T Davies)

Die Serie “Years and years” dürfte unlängst im deutschen Fernsehen gelaufen sein, jedenfalls wurde ich durch Twitter-Gewährsleute in Deutschland auf sie aufmerksam gemacht. Die Geschichte folgt einer Familie aus mehreren Generationen in Manchester über den Zeitraum 2019—34 — genau genommen 2024—34 — und erzählt eine Art Dystopie. Trump gewinnt eine zweite Amtszeit und lässt eine Atombombe über einer von China künstlich geschaffenen Insel zünden, Brexit ist bereits geschehen, Digitalisierung und technologische Vernetzung schreiten voran, politische Bewegungen werden immer extremer — in Großbritannien kommt eine Faschistin an die Macht, famos gespielt von Emma Thompson —, Wirtschaftskrisen zerdreschen Banken und Bankkonten, migrations- und flüchtlingsfeindliche Haltungen verstärken sich, weitere Länder treten aus der EU aus (Griechenland) — und das waren erst die ersten vier Folgen. Was “Years and years” auszeichnet, ist der Blick auf diesen disparaten Wahnsinn durch die Linse einer Familiengeschichte mit viel Liebe, Leid und Witz — sie führt auch vor, wie sich Faschismus normalisiert, ganz unauffällig, man wählt halt die Faschistin, weil sie begeisternd ist und ein Selfie mit einer macht.

In den letzten beiden Folgen richtet sich der Blick stärker auf Großbritannien selbst — man hatte sich davor schon gewundert, warum der Wahnsinn nur in anderen Ländern ausbricht: Klimakatastrophenkatastrophen sorgen für Binnenflüchtlinge, die umgesiedelt werden müssen, wobei manche aber auch einfach verschwinden gelassen werden. Es gibt Lager für politisch und anders Unerwünschte, Überwachung, Faschismus. Am Ende wird aber wieder alles gut, weil sich die guten Menschen mit dem Herz am rechten Fleck mit Subversion gegen Totalitarismus auskennen und tech-savy sind. Der Faschismus wieselt sich in den Alltag, aber man kann ihn guerillamäßig raus-hacken, das ist doch fein. Und es ist in Großbritannien 2034 ein Skandal, wenn man als Politikerin Leute in Lager einsperren lässt — ein Skandal, der einen politisch ruiniert. Who would have thought? Es ist der Glaube an das Gute im Briten, der die Serie antreibt, eine Art Guerilla-Exzeptionalismus, und das ist bei aller ärgerlicher Naivität dann doch auch irgendwie charmant.

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