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- 2 04 2022 - 18:37 - katatonik

Ein Abend mit Menschen, die man lange nicht gesehen hat

Es gibt rote Linsensuppe; ich habe noch nie so eine geschmacksbefreite rote Linsensuppe gegessen, auch das kann man also vergeigen. A. entpuppt sich als großer Fan von MUBI, sagt, er würde sich jetzt Filme auch schon mal so richtig wie ein Student anschauen, in kurze Einheiten zerlegt, die dann immer wieder. “Sans Soleil” zum Beispiel oder Godards “Sympathy for the Devil”. Da war auch ein Film über die japanische RAF und Connections nach Israel, musst anschauen, sehr spannend. B. wohnt jetzt am Stadtrand, Eigentumswohnung, Mehrparteienhaus, eh schon länger; ihr Partner, ohne den ich sie nie erlebt hatte, sei zu Anfang des Jahres sehr rasch an einer bis dahin nicht diagnostizierten Krankheit verstorben. Manchmal wie heute hätte sie Distanz dazu, aber meistens nicht. Noch ein Achterl gelber Muskateller, fragt der Kellner; er könnte aus Nepal stammen, vielleicht auch aus Südostasien, oder aus Peru? Es gibt peruanische Gerichte auf der Karte, gibt es einen Zusammenhang? Am WC wartet eine Frau vor dem Damen-WC, während das Herren-WC total leer ist; es ist immer noch das Gleiche, ich geh natürlich aufs Herren-WC, an der Wartenden vorbei.

C. und D. sind vom Land, von wo aus sie ihre in Wien ansässige Firma remote betrieben hatten, schon vor einigen Jahren wieder nach Wien gezogen, in ein Fabrikloft am Stadtrand, wo es jetzt immer mehr Wohnungen gibt, die Anbindung mit dem öffentlichen Verkehr schlecht ist und leider immer mehr Autos fahren. Sie geben ihre Firma bald auf; es reicht, altersmäßig, und Corona hätte ihnen sowieso das Geschäft verdorben. Ein Augustin-Verkäufer kommt vorbei; B. und D. möchten ihm Kleingeld geben, haben aber nicht so viel; ich wollte ihm eigentlich nichts geben, hole dann aber doch Kleingeld raus, um den Obulus von B. und D. aufzufetten. Der E. war übrigens ein paar Mal im Häfen — nein, das weißt du nicht? Wollte schnelles Geld mit Drogenschmuggel machen, ist halt schiefgegangen, jetzt sei er etwas komisch, heißt es, aber er meldet sich eh nie. A. geht demnächst in Pension und will wieder einmal nach Nepal reisen. Er kennt da Leute, die ich auch kenne, die alte Handwerkstraditionen pflegen, Kulturerbe erhalten; es gibt da ja auch ältere österreichische Connections hin. B. war vor ein paar Wochen mit der F. für ein paar Tage in Venedig, weisst, so blöd, den Zug hin hab ich versäumt, hab dann einen Nachtzug genommen und bin der F. nachgefahren; es wär mir doch zu blöd gewesen, daheim zu bleiben. Und was ich dort alles nicht gekauft hab; ich war richtig stolz auf mich.

C. findet, es gäbe im übrigen in Österreich keine aufklärerischen Medien; nicht einmal die, die sich so gerierten, seien so. Alle stimmen ihm zu und finden den Neoliberalismus, der überall alles ausdünnt, entsetzlich. Ein Cheesecake, bitte. D. macht Keramik, wenn ihre Schulter sie das noch machen lässt; sie hat da starke Schmerzen, musst anschauen lassen. Noch ein gelber Muskateller, noch ein Cabernet Sauvignon? Unser Kater ist so krank, so viele Infusionen, wir wissen gar nicht, ob sich eine Operation noch lohnt. Der K. ist übrigens auch gestorben, vor ein paar Jahren, der war ja in Griechenland. Die Leber. Kein Wunder. Was sind wir mit dem immer um die Häuser gezogen, tagelang ein Rausch, meine Herrn. Naja, g’sund war des ned. Der G. ist übrigens auch Professor, in Deutschland. Überhaupt, die Geschichte vom G. Ah, aber nein, den G. hast du ja gar nicht gekannt, der ist ja aus der Band raus, bevor du eingestiegen bist. Gehen wir nächste Woche vielleicht einmal zu einem Heurigen, in der Nähe von da, wo die B. wohnt? Gehst mit?

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