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- 15 06 2021 - 19:42 - katatonik

Kieferoperation anyone? Hier ein Erfahrungsbericht zu flüssig-breiiger Ernährung

Nach Operationen an Kiefer, Gaumen oder überhaupt im Mundraum wird gern flüssig-breiige Ernährung verschrieben. Da ich 2020—21 mehrmals das Vergnügen hatte, konnte ich viel Erfahrung damit sammeln. Hier also einige Empfehlungen.

Ich schicke voraus: Ich lebe nicht vegetarisch oder vegan, esse aber recht wenig Fleisch, gelegentlich Geflügel, gerne Fisch. Ich war während dieser Zeit erst im Krankenstand und konnte danach im Home-Office arbeiten, konnte also Zeit fürs Einkaufen und Kochen verwenden und hatte meine eigenen Küchengeräte dafür. Wenn man den Spielraum hat, sich das so einzuteilen, ist das ideal. Das ist keine Situation, in der ich gerne von Restaurants, Kantinen oder Convenience Food abhängig wäre – das schränkt zu sehr ein und macht einfach keinen Spass. Es macht auch keinen Spass, mit Kolleg*innen Mittagessen zu gehen und dann immer irgendeinen im Verhältnis faderen Sonder-Deal auszuhandeln und anderen beim Essen zuzuschauen. Da ist mir lieber, gleich zu Hause zu bleiben.

Von ärztlicher Seite her gab es keine Einschränkungen außer “flüssig-breiig”. Oft heisst es, man soll nach OPs im Mundraum in den ersten Tagen keine Milchprodukte zu sich nehmen, keinen Schwarztee, Grüntee oder Alkohol, und auch Zucker meiden. Meinem Chirurgen war das egal (“saufen Sie, was Sie wollen”).

Appetit aufrechterhalten, Essen nicht vergessen. In der ersten Zeit nach der OP ist es noch nicht so einfach — und kann auch schmerzhaft sein —, den Mund zu öffnen. Jeder Löffel, den man runterkriegen muss, ist eine Prozedur, da macht das Essen einfach nicht so viel Spass, auch wenn man Hunger hat. Aber die Versorgung des Körpers mit ausreichender und guter Nahrung ist in Zeiten der Rekonvaleszenz sehr wichtig. Man wird wirklich total schnell total schlapp, wenn man nicht genug isst – zumal der Kreislauf ja durch Rumliegen und Sportverbot auch nicht wirklich in die Gänge kommt. Also muss man sich zum Essen motivieren, auch wenn man vielleicht noch wenig Appetit hat und alles recht mühselig ist. Ich habe versucht, das durch einen möglichst regelmäßigen Essensrhythmus hinzukriegen: drei Mahlzeiten am Tag, sowie Smoothies, Shakes oder Joghurt. Es gibt auch hochkalorische Flüssignahrung; ich bekam im Krankenhaus Fresubin Energy Drinks, in verschiedenen Varianten und Geschmacksrichtungen.

Pürierstab und Mixer sind deine Freunde! Auch das Offensichtliche muss gelegentlich fett gedruckt werden. Anfangs fand ich den Mixer oft praktischer, da man nicht mit der Hand noch extra dem festen Gut “hinterherpürieren” muss und verlässlich ein gleichmäßiger Brei rauskommt. Dann erwarb ich einen leistungsfähigeren Pürierstab (Bosch, 1000 Watt) mit praktischem Zubehör – das kann ich nur empfehlen. Man muss so viel pürieren, da lohnt sich die Investition.

Man kann alles pürieren – aber will man das auch? Im Krankenhaus hat man mir gesagt, dass alle zubereitete Speisen gut püriert werden können (mit Ausnahme von Reis). Im Krankenhaus und in Situationen, wo zusätzlich für andere in der Familie mitgekocht werden muss, ist das wohl auch notwendig. Erst wird das Rindsschnitzel mit Gemüse und Kartoffeln zubereitet, dann werden die einzelnen Bestandteile für die Breikostpatient*innen püriert. Heraus kommen Schüsseln mit “Rindsschnitzel-Mix”, “Gemüse-Mix” und “Kartoffelbrei”.

Mir persönlich hat das nicht besonders zugesagt, und ich habe das Prinzip “wie sonst auch immer kochen, dann pürieren” nicht weiter verfolgt. Ich habe eher versucht, von vornherein breiig angelegte Speisen zuzubereiten und mich daher intensiv mit Suppenrezepten beschäftigt, aber aus Kompatibilitätsgründen mit den Essensinteressen meines Partners auch nach Gerichten gesucht, die sich mit und ohne Pürieren gut machen. An sich püriere ich jetzt auch so häufiger; mein Eindruck ist, dass Pürieren die Würzigkeit von Speisen tendenziell intensiviert, wofür es bestimmt eine Erklärung gibt.

Suppen, Suppen, Suppen: Tolle Rezepte gibt es zum Beispiel in Sonja Rikers Suppenglück, für das ich hier gerne Werbung mache. Da sind auch Rezepte für Eintöpfe drin, die sich ebenfalls gut pürieren lassen. Tendenziell waren mir Suppen mit hohem Gemüseanteil und dann eher breiiger Konsistenz lieber als zu flüssige, weil nahrhafter (und man muss dann weniger Menge essen). Mein Standard-Suppenrezept: Geschnittene Zwiebel in Butter anschwitzen, klein geschnittenes Gemüse und evtl. klein gewürfelte (vorher geschälte) Kartoffeln dazu, mit Gemüsebrühe aufgießen, weich kochen lassen, pürieren, mit Salz, Pfeffer und passenden Kräutern abschmecken. Sehr gut z.B. gelbe Zucchini mit Kartoffeln, abgeschmeckt mit Thymian. An kalten Suppen empfehle ich neben der nachstehend erwähnten Salmorejo eine Gurken-Avocado-Suppe (2 Gurken und 1 Avocado pürieren, Gurken vorher entkernen, mit Saft von 1 Limette und Salz abschmecken).

Herausforderung Kohlehydrat und Eiweiss. Gemüse und Obst lassen sich ja, wenn ein gewisser Weichheitsgrad erreicht ist, leicht pürieren. Die Kohlehydrat- und Eiweissversorgung braucht mehr Hirnschmalz. Bohnen und Linsen helfen, Kichererbsen, Eiweißpulver in Smoothies, auch gemahlene Nüsse in der Suppe. In Gemüsesuppen lassen sich gut ein, zwei Kartoffeln mit reinpürieren, was angesichts der dadurch erreichten Sämigkeit sowieso ein Gewinn ist (Kartoffeln einfach klein gewürfelt mit der Suppe mitkochen). Auch eingeweichtes Toastbrot lässt sich gut mitpürieren, in Anlehnung an die spanische Salmorejo, eine sehr schmackhafte kalte Tomatensuppe. Pasta zu pürieren geht, ist allerdings gerade bei besserer Pasta Verschwendung. Gnocchi sind gut pürierbar. Was Reis angeht, kann man sich auch eine Congée vorkochen (eine Tasse Reis mit ca. 10 Tassen Wasser zwei Stunden köcheln lassen) und die dann in Suppen reinlöffeln. Man kann Reis auch einigermaßen gut pürieren, aber Kartoffeln sind dazu weit besser geeignet.

Breiige Desserts: Breiige Fertigdesserts (Mousse au chocolat, etc.) gibt’s zur Genüge; ich habe fruchtige Mousse-Varianten selber produziert (nach diesem Grundrezept).

Gut mitpüriert: Hier ein paar Gerichte, bei denen sich ein Teil für mich gut separat pürieren ließ.

Gewichtabnahme ist trotz Bewegungsmangels vorprogrammiert. Aber auch, wenn man sowieso ein paar Kilo loswerden möchte und glaubt, das käme ja gerade günstig, ist eine zu rasche Gewichtabnahme durch reine Kalorienreduktion nicht hilfreich. Erstens hat man das nachher eh zu schnell wieder drauf und zweitens baut man eher Muskelmasse als Fett ab (daran litt ich auch noch drei Monate nach der ersten OP). Ich würde daher auf keinen Fall empfehlen, das Pürierprogramm auch noch als Abnehmprogramm anzugehen, weil einem die Kraft für begleitenden Sport fehlt und nur Muskeln verloren gehen.

Die Verdauung verlangsamt sich. Wer hätte es gedacht: Es gibt weniger Feststoffe auszuscheiden, wenn man sich flüssig-breiig ernährt. Das kann unerwünschte Folgen haben. Damit der Darm nicht träge wird, gelegentlich einen Löffel Olivenöl schlucken oder in Smoothies (am besten geschrotete) Leinsamen mitpürieren. Antibiophilus-Kapseln päppeln die Darmflora auf.

Nach meiner ersten OP (ich hatte insgesamt vier) musste ich sechs Wochen flüssig-breiig essen, erst dann kam etwas festere Nahrung dran (erstaunlich, wie man über unpürierte Gnocchi jubeln kann), aber erst nach mehr als zwei Monaten habe ich mich ans Beissen von wirklich Festem gewagt. (Bei der OP wurde der Oberkieferknochen durchgesägt und durfte während der Wieder-Zusammenwachs-Phase nicht belastet werden.) Die Mundöffnung ging so richtig gut erst wieder nach zwei Monaten. Es kann also dauern, aber nur Mut: Die Schmerzen sind vernachlässigbar (das hat mich wirklich erstaunt und war eine große Erleichterung). Es sind wirklich nur die Kaueinschränkung und Mundöffnung, die halt einfach wenig komfortabel sind. Das wird wieder.

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