Innerhalb der geöffneten Pandemieklammer, feiern
Damals, also vor der Pandemie, die Weihnachtsfeiern. Jetzt, also immer noch in der Pandemie, zu einem Zeitpunkt, wo niemand weiss, was genau es dann im Alltag bedeuten kann, dass sie keine Pandemie mehr ist, sondern eine endemische Situation eingetreten ist, also jetzt dann doch eine Feier, natürlich diskutiert, ob, und letztlich befunden, dass ja, weil die, die sich nicht sicher fühlen, einfach nicht kommen, und die, die das kalkulierte Risiko eingehen, es sowieso eingehen. Die, die dann nicht gekommen sind, waren krank, stellte sich heraus, oder gerade auf Montage im Ausland, wie ich immer sage, süffisant.
Die Dreiliterflasche sizilianischen Rotweins, die S. mir zum Abschied geschenkt hatte, auch schon vor zwei Jahren, also innerhalb der Pandemieklammer, die eigentlich eine geöffnete Klammer ist, und sich nicht schließen lässt, sehr unrund macht einen sowas, wenn eine Klammer so offen bleibt, also die sizilianische Flasche erwies sich eher als Party-Gag denn als önologische Bereicherung. Bröselnder Kork, säuerliches Gesöff, eventuell noch zu Essig zu verarbeiten, aber den Wein aus der Flasche zu kriegen und dabei die Korkpartikel auszusieben, das war dann doch ganz lustig und führte zu spaßigen Bonding-Szenen. Manche tranken davon, ein bisserl, so interessehalber, aber ja, Essig kann man da doch sicher noch draus machen, weisst, wie das geht?
Meanwhile erklärte man sich am Buffet die Speisen, die weniger offensichtlich waren, oder halt einfach nicht so bekannt. Gibt’s ja nicht jeden Tag, macht man ja nicht jeden Tag. Die drei japanischen Kolleginnen hatten gemeinsam Okonomiyaki zubereitet; zum ersten Mal, seit ich in Wien bin, sagte H., waren sie bei mir (und sie ist schon ein Jahr in Wien). Der amerikanische Doktorand mit Freundin aus Russland brachte Blini mit. Es gab Grünteemochi und Bananenbrot vom Japanologen, eine Zucchini-Pilz-Tarte vom italienischen Indologen, Pineapple-Cheddar-Sticks von der britischen Tibetologin, und, ja, Nudelsalat von der Ösikollegin. Nicht alle Backwerke konnten gesampelt werden; N., die aus einem Antragsmarathon kam, hatte sogar noch eine Oberlaatorte besorgt, sie wollte nicht mit leeren Händen, klar.
Die neue Office-Managerin auch gastronomisch ein Gewinn, Sekt mit Yuzu-Sake, kann man machen, nächstes Mal kaufst aber gleich zwei Flaschen, gell? Die taiwanesische Doktorandin, die sonst immer backt, und zwar kreativ backt, belegte uns diesmal mit einem taiwanesischen Maotai-Fluch, bistdenndudeppert; sie droppte gewissermaßen eine knallrote granatenförmige Flasche auf uns, bevor sie sich recht früh lächelnd verabschiedete. Es galt nämlich die erste Taiwanreise vorzubereiten, also die erste, seit die Pandemieklammer aufgegangen ist; drei Jahre hat sie ihre Familie nicht gesehen. Sie ging, bevor ich die Anekdote von meinem Besuch in der Beijinger Baijiu-Bar erzählen konnte, und das war wahrscheinlich eh besser; so gut, wie ich immer tue, sind meine Anekdoten halt leider auch nicht.
Und einer, der trank viel, zu viel, also viel mehr zu viel als wir anderen, und eine andere kümmerte sich um ihn, sie kennen sich schon lang, und er entschuldigte sich, der, der zu viel trank, immer wieder entschuldigte er sich, und wir beschwichtigten, es sei ja alles ok, wir beruhigten, es sei kein Problem, und wir stellten ihm Wasser hin statt der Weinflasche, aus der er immer noch ein Glas einschenken wollte, und genau weiß ich nicht mehr, wie die Situation ausging, es war ja der taiwanesische Fluch doch ein recht wirksamer, aber irgendwann suchte ich aus dem Archiv vom Server, da, wo die Arbeitsverträge abgelegt sind, seine Adresse heraus, weil die niemand kannte, auch er nicht; fürs Taxi.
Die Kinder alle, fast alle auch da, also die, deren Eltern nicht krank oder auf Montage waren, jetzt, nach Weihnachten, die Kinder alle gesund, jetzt gerade gesund, jetzt noch nicht wieder krank. Seit drei Jahren nicht gesehen, bistdenndufertig, gewachsen, auch ein ganz neues dabei, ein frisches, das auch schon gehen kann, so lang ist das mit der Zeit, so unheimlich. Mädels, die jauchzend durch die Gänge laufen, man kann den Gang ja rundherum laufen in diesem Gebäude, ein viereckiges, tageslichtloses Gangband, in dem man sich immer verirrt, weil kein Tageslicht; ihr glaubt nicht, wie schnell man sich ohne Tageslicht verirrt in einem Gebäude, aber die Mädels fanden’s großartig, sie quietschten durch den Gang, immer so im Hintergrund ein einziger Quietschsturm, während wir langsamen Buffet-Tanker uns erzählten, was wir alles jetzt wieder täten oder doch nicht, noch nicht, und von Symptomen nahtlos zu Plänen übergingen, und die, die schon seit Monaten hier arbeiten, zum ersten Mal mit anderen anstießen, die auch schon ein Jahr, unglaublich, das mit der Zeit.