Umhören
Amselgesang, massiv, diese Phase, in der die Hähne nicht nur morgens und abends, sondern auch tagsüber einfach losschmettern, bei Regen ganz besonders.
Gespräch mit einem lieben Ü80er über Musikbiografien, was man wann hört, welche Zugänge technischer, sozialer und ästhetischer Art man sich schafft, man ermöglicht bekommt. Als Bub in Graz in die Oper, als Student in Wien Zwölftonmusik, große Aufmerksamkeit bei der Auswahl von Konzertabonnements immer, jetzt gerade Quartette. Über die Wichtigkeit, immer wieder die Finger nach Kultur auszustrecken, neben dem Alltagsgeschäft der Wissenschaft. Man hält es ja sonst mit den ganzen Wahnsinnigen nicht aus, befinden wir.
Es geht doch immer um viele Dinge gleichzeitig.
Angus MacLise, 1938–1979, bekannt als erster Drummer von Velvet Underground, hat aber auch Spuren in der elektronischen Musik hinterlassen. Umzug von der Ostküste nach Kalifornien, Verbindungen zu Timothy Leary und Aleister Crowley. Bezüge zu Tibet und dem Himalayaraum in seiner Biografie. Sein Sohn wurde als Inkarnation anerkannt (Karma Kagyü), die Familie ließ sich letztlich in Nepal nieder, wo er auch verstarb. Archivmaterial wurde rekonstruiert, remastered und jetzt unter dem Titel “Tapes” veröffentlicht [zuvor 2015 bereits auf Kassette], satte 3CDs, link. Zitat:
This comprehensive 3CD box set is over three hours in length and includes session recordings with Tony Conrad and William Breeze (of Coil, Current 93, and Psychic TV), mystical recordings from the filming of Ira Cohen’s “The Invasion of Thunderbolt Pagoda” (1968), shortwave experiments, and sounds of Tibetan Buddhist monks recorded by MacLise.
The “Tapes” compilation features excerpts from the archives of the Angus MacLise Papers, which are held at Columbia University Library. The archives contain over 100 hours of reel-to-reel tape recordings of live improvised music, theatrical performances, and sound experiments created by MacLise and his associates during the 1960s and 1970s. MacLise produced the original recordings in his own unique style, characterized by rough and peculiar editing.
Am Cover übrigens tibetisches Gekritzel. Kursivschrift, Emulationen einzelner Zeichen und Cluster, anscheinend Übungen, Nachahmungen des Duktus. Die Wikipedia-Seite zu MacLise bezeichnet ihn auch als Kalligraphen.
Spätmerken auch so eine komische Angewohnheit von mir. Erst jetzt entdeckt, dass die Formation “Heaven And”, von deren Existenz ich wusste, die ich aber nie Gelegenheit hatte live zu hören, ja auch Tonträger veröffentlicht hat, und zwar sogar deren zwei: Sweeter as the Years Roll By (2008) und Bye and Bye I’m Going to See the King (2010). Feine Sache. [Dazu auch ein Interview mit Martin Siewert und zeitblom aus 2008. Die darin für den Albumwerdungsprozess gewählte Phrase “ausufernde Aufnahme-Sessions improvisierter Natur” gefällt mir übrigens sehr.]
Kaltnasenfrühling
Die Pianistin Elisabeth Harnik hörte ich vor zwei Wochen gemeinsam mit Sainkho Namtchylak. Da wurde dann im Anschluss die CD MetaMorph der Formation “Other:M:Other” präsentiert (ein dreifaches Oha für die Drummerin Judith Schwarz). Jedenfalls fand ich Harniks Spiel mit Namtchylak beeindruckend präzise, daher gestern in den Echoraum zu einem Konzert von ihr; sie trat gemeinsam mit der Violinistin Ana Kravajna und der Kontrabassistin Margarethe Maierhofer-Lischka auf. Ein sehr vibrierender Abend, kraftvoll, präzise, hartnäckig. Danach noch ein Soloset von Kristina Warren (Elektronik), verhaltenes Knacksen und ruhevolles Klingeln. Sehr angenehm bei experimentellen Konzerten finde ich ja immer, wenn man neben den g’spritzt’n Feinsinnigen auch den Typ leiwanden Haberer im Publikum vertreten hat (mein Verhältnis zum Publikum experimenteller Musik ist, sagen wir, nicht ganz spannungsfrei).