In der Strengen Kammer
Cajado/Siewert/Paraskevopoulos in der „Strengen Kammer“ des Porgy & Bess, 10.4.2023.
Die Strenge Kammer ist ein sehr spezieller Ort, ein kleiner, intimer Raum für bis zu 30 Zuhörer, für Sperriges und, nun ja, Strenges. Im Publikum übliche Verdächtige von experimentellen Konzerten, ein paar Unübliche haben sich wohl verirrt (die gehen dann bald, etwas verstört). An diesem Abend: Klavier, Kontrabass, Gitarre und Elektronik. Eine knappe Stunde, wieder einmal so ein Oha-Abend. I prefer to “Oha” myself through life.
Man fühlt sich in der Strengen Kammer aufdringlich, wenn man den Musikern auf die Finger schaut, jedenfalls dann, wenn man, so wie ich, in der zweiten Reihe direkt vor ihnen sitzt. Wiewohl es außerordentlich faszinierend ist, das zu tun, man ist Musikerfingern beim Spiel ja sehr selten so nahe, kann selten den physischen Kausalnexus von Bewegung und Klang so unmittelbar beobachten (auch wenn der bei der Elektronik noch durch eine Fülle von den Blicken verborgenen Operationen verhöhnt wird).
Vinicius Cajado ist unglaublich jung und zieht am Bass ordentlich die Register (entlaufene Metapher, I know), ich kann das schlecht beschreiben, aber sein großartiges Improvisationsalbum Monu aus 2021 gibt einen guten Eindruck. Martin Siewert dreht eh immer an Reglern, die ich nicht verstehe, dann pocht etwas oder knackst, rauschverhallt, oder er fährt am liegenden E-Gitarrenhals mit einem Gerät, das ich auch nicht verstehe, die Saiten entlang, und biegt nachhallende Klänge buchstäblich in die Luft. Greift nach seiner anderen E-Gitarre, klare Schrillheit, flächiges Brummen, zugespitztes Kreischen. Auch das kann ich schlecht beschreiben, heute jedenfalls. Der Pianist wirkt etwas entrückt, was aber möglicherweise daran liegt, dass er am weitesten weg von mir sitzt. Klavier in dieser Konstellation eh schwierig, meiner Meinung nach, aber am Ende greift er in die Saiten, und da entwickelt sich ein ungemein feines Spiel zwischen Klavier und Gitarre.
Allgemein an diesem Abend Gestimmtheiten unterschiedlichster Art, forsche Dissonanzen, Zackiges, Aufgewühltes, dann wieder Phasen einer unglaublichen Zartheit, und Phasen, in der einander vor allem Bass und Gitarre in tiefe Räume ziehen. Am Ende brachte mich die Gitarre glatt noch zum Schmelzen, aber ich hab’s dann noch am Rad nach Haus geschafft, danke.
[Nachträglich sehe ich: Es gibt auch ein schönes Stück namens tres von Cajado & Siewert auf dem Türkei/Syrien-Erdbeben-Benefizsampler ZELZELE].