Von Höllenmaschinen und Glasscheiben
6.10. Im Rhiz steht der so genannte Max-Brand-Synthesizer, eine Mischung aus Moog (mitentwickelt von Robert Moog persönlich) und Trautonium, gebaut 1966–67. Am Programm steht die Komposition “Höllenmaschine” von Elisabeth Schimana (2009) gespielt von Manon Liu Winter als Keyboardoperatorin und Gregor Ladenhauf als Klangoperator (Hier eine Seite zum Stück mit hörbaren Auszügen, hier ein Interview mit Gregor Ladenhauf über die Arbeit mit dem Instrument.) Bernhard Günther hat den Abend, Teil der Rhiz-25-Jahr-Geburtstagsfeier, kuratiert und dafür gesorgt, dass der Synthesizer überhaupt aus Langenzersdorf, wo er als Dauerleihgabe der Win-Bibliothekt im Max-Brand-Archiv steht, nach Wien gebracht werden kann und gespielt werden darf. Er darf nämlich eigentlich nicht raus, sagt Günther. Nun hat er also doch 15 Kilomenter geschafft und steht da, und direkt über ihm rattert die U-Bahn und bringt seine Schaltkreise ein bisserl zum Vibrieren, bevor er richtig loslegen darf.
Zur Einstimmung gab es ein Stück vom Band, Pauline Oliveros (USA, 1932–2016): A little noise in the system, ein frühes Experiment in der Arbeit mit Störgeräuschen als Ausgangsmaterial. Dieses Stück, eine halbe Stunde lang, das Geräusche rhythmisch aufzieht, zu Oszillationen beschleunigt und mit wechselnden begleitenden Klangtapetenspuren allmählich lauter werden lässt und in Richtung Akkubohrer wendet, also dieses Stück war ein sehr passender historischer Kommentar zu denen von KMRU, die ich zwei Tage zuvor im Kassensaal der PSK gehört hatte. Der Aufbau recht ähnlich, die Klänge wie eine Übersetzung in eine andere Sprache, anstelle der Oszillationen freilich eher unterschwelliges Wabern. Anders als die Stücke auf seinen Alben, die eher perlen, bisweilen ins Kontemplative gehen, drängten diese da mehr in Richtung Störung. Man stelle sich riesige Glasscheiben vor, die in Zeitlupe zerbersten.
Schimanas “Höllenmaschine” im Vergleich dazu ein Sturm, ein Orkan, ein Glasscherbentanz zuerst, dann enthusiastisches Ausreizen der niederfrequenten Möglichkeiten, die das Instrument bietet. Oha, I say. Im Anschluss an die “Höllenmaschine” führte Bernhard Günther ein Gespräch mit allen Beteiligten, einschließlich Peter Rantasa (“Hausmeister” des Rhiz), der 1999 das Phonotaktik-Festival um Max Brand herum konzipiert hatte. Ich hatte das schon total vergessen, was mich wundert, denn dieses Festival war für mich der Einstieg in intensivere Beschäftigung mit elektronischer Musik. Nun, es gab wohl einfach prägendere Erlebnisse damals.
Im Gespräch ging es zum einen um Max Brand und seinen Lebensweg – frühe Kompositionserfolge, das Bühnenwerk “Maschinist Hopkins” (1929), 1938 Flucht über Prag und Brasilien nach New York. Vergeblicher Versuch, als Filmkomponist Fuß zu fassen, ab den 1950er Jahren verstärkte Beschäftigung mit elektronischer Musik, dann eben der Synthesizer mit Moog (mit dem er sich übrigens überwarf). 1975 kehrte Brand nach Österreich zurück. In Langenzersdorf bei Wien verbrachte der Elektronikpionier seine letzten Lebensjahre einsam und unverstanden. Es ging dann aber auch darum, wie sich das Instrument so spielt; Manon Winter war sehr begeistert davon; man hebe so richtig ab beim Spielen. Sie könne sich vorstellen, dass sich ein Flugzeugpilot ähnlich fühlen würde.