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- 1 11 2023 - 12:01 - katatonik

Maria Gstättner, Fanfare; David Christopher Panzl: A Bridge to Tradition; Schapka: Diverses (Wien Modern, 31.10.2023)

Maria Gstättner: Fanfare allez ensemble für zwei Blasorchester, Punkband, Pop-Duo, Bläserensemble, Drumline, E-Gitarre, Sythesizer, Solo-Bassposaune und lichtbasierte künstlerische Intervention; David Christopher Panzl: A Bridge to Tradition (2023); Шaпκa (Schapka): Auszüge aus den Stücken No No No (2017), How is it to make music as a woman (2017), USQQ (2017), Uni brennt (2022–2023). Stadtpark Wien.

Es war fraglich, ob das für 18 Uhr geplante Freiluft- und Gehkonzert im Wiener Stadtpark stattfinden würde, denn vormittags regnete es noch sehr persistent. Es ging sich aber aus, wie man hier so sagt, um 15 Uhr tat das Festival auf allen seinen Online-Kanälen kund, man würde so wie geplant spielen.

Gegen 18 Uhr ist es natürlich bereits dunkel. Menschen begeben sich zum Stadtpark, das ist zu dieser Uhrzeit sonst ja eher nicht so der Fall; sie tröpfeln, etwas unschlüssig. Man weiß, dass das Konzert an vier Eingängen zum Stadtpark beginnt, aber was es in diesem Fall bedeutet, es würde beginnen, weiß man nicht. Ich nehme den Eingang links vom U-Bahn-Aufgang auf Konzerthausseite, beim Wienflussportal. Hier ein aufgebautes Schlagzeug, an den steinernen Balustraden zum Wienfluss hin vorbereitete Scheinwerfer. Gegenüber, am anderen Ufer, sehe ich auf der Promenade einen Mann mit E-Gitarre schlendern. Männer in Bundesheeruniform erscheinen, Blasmusikanten in Tracht, vereinzelte Figuren, ebenfalls schlendernd. Neugier und Unschlüssigkeit. Langsam beginnen die Musiker*innen, ihre Instrumente zu betätigen, gehend, hier ein Tubaspieler, dort eine Flötistin, Marschtrommler. Manche tragen headlamps, andere blicken auf an ihren Instrumenten befestigte, beleuchtete Noten. Wandernde Lichtpunkte, die klingen.

Die Zuhörenden folgen ihnen, wie sie gehen, spielend, und bald wird klar, es geht auf einen Punkt zu, wo sich mehrere Instrumente sammeln, einen der Knoten in der Parkgestaltung. Atonales, lang Gezogenes, gelegentlich Rhythmisches; keine Art von Musik, die die Militärmusik Burgenland, die Gardemusik Wien oder die Mürztaler Trachtenkapelle Mitterdorf-St. Barbara in ihrem Musikalltag so spielen. Dann aber doch auch Elemente aus deren angestammtem Repertoire, Versatzstücke, Verbindungen der Bläser zu machtvollen Aufwallungen, antreibende Trommeln. Das Ganze zerläuft wieder. Ich vermag nicht, die einzelnen Stücke voneinander zu unterscheiden. An einem anderen Parkknoten beginnt die queerfeministische Frauenband Schapka, Auszüge aus ihren Punknummern runterzurotzen. Schapka klingt ab; Elektroniksound aus Fahrradrikschas wird lauter, hinter den Rikschas sammeln sich die Bläser, und eine Art Prozession setzt sich in Bewegung. So geht es weiter, durch dunkle Wege, zu Parkknoten, mit Lichtinstallationen von Victoria Coeln markiert. Am Ende sammeln sich die Musiker*innen auf der Promenade beim Wienflussportal, Publikum hinter ihnen, neben ihnen, gegenüber, ein lautes Finale mit Oha-Effekt.

Die Komponistin Maria Gstättner spricht (auf der Website von „Wien Modern“) von einer ästhetischen Erfahrung, „in der die ständige Gratwanderung zwischen Autonomie und Verbundenheit zu Gleichstellung, Würde und Respekt führt“. Das leuchtete mir nicht ein. Ich empfand das Konzept, Blas- und Militärkapellen aufzulösen und in Abfolgen von Geh- und Stehpassagen mit wenigen Lichtinseln im dunklen Stadtpark musizieren zu lassen, eher als einen ästhetischen Kommentar zu, oder eine Meditation über, Praktiken kollektiver Musikproduktion, die mit der Aufrechterhaltung von Traditionen und mit staatlicher Gewalt verbunden sind — mit Musik-Institutionen, die der Aufrechterhaltung einer gewissen Gesellschaftsform und ihrer Normen verpflichtet sind, sich dabei aber auch ihrerseits ändern (mehrere Frauen an den Instrumenten, auch in der Militärkapelle). Dabei war die Kombination mit den Elektronik-Fahrradrikschas als Dekonstruktionselement unmittelbar stimmig; die Band „Schapka“ fand ich nicht so recht passend (eine der jungen Frauen trägt den Nachnamen der Komponistin, ich vermute, die Tochter), jetzt aber, retrospektiv, gewinnt sie mit ihrem trockenen, wütenden queerfeministischen Punk einen wichtigen Platz im Ganzen. Das Ganze noch dazu in einem Park mit Monumenten vergangener Musikhelden (Bruckner, Schubert, Strauss), mit einer Komposition, in die auch die Reaktion auf die Umgebung eingeplant ist. Am Weg zum Konzerthaus, wo das offizielle Eröffnungskonzert von “Wien Modern” anschließt, vorbei an einem Straßenmusiker, einem Saxophonisten, dessen melancholische Jazzschleifen unweigerlich zum Nachklang der Fanfare werden.

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